Sinnstiftende Unternehm*ungen braucht das Land
Warum es heute wichtiger denn je ist, dass sich Unternehm*ungen grundlegend wandeln und ihren Nutzen auf das Wohl der Gemeinschaft ausrichten.
*Vorbemerkung zur Verwendung des Begriffs „Unternehm*ungen“: Ich gehe immer mehr dazu über, von „Unternehm*ungen“ zu sprechen, zu denen dann auch Entwicklungshilfeprojekte, das Gründen und Betreiben von Genossenschaften, Vereinen und anderen Initiativen zählen, da der Begriff „Unternehmen“ zu kurz greift, weil er wertvolle Initiativen und andere Formen von Aktivitäten nicht einschließt.
Zeitgeist Umbruch
Die Zeiten stehen mal wieder auf Umbruch. Viele Menschen scheinen das so zu empfinden und eine nicht geringe Zahl hat sich aufgemacht, ihren Teil zur Veränderung beizutragen.
Die Themen, mit denen wir konfrontiert sind, werden ernster und rücken näher. War das nicht schon immer so?
Ja und nein. Ja: es gab immer wieder Stimmen, die das Ende der Welt verkündeten und bisher damit nicht richtig lagen. Und nein: Bestimmte Veränderungen gehen bisher nur in eine Richtung und es wurde noch nicht genug dafür unternommen, diese Richtung umzukehren.
Denken wir an den Verbrauch von Ressourcen, wie zum Beispiel Erdöl, Gas, Metalle, die großflächige Rodung von Wäldern, die Überweidung von Flächen, die zunehmende Vergiftung von Böden, die Überfischung von Gewässern auf der einen Seite (Ausbeute) und die Produktion von Müll auf der anderen Seite (Schaffung von bisher ungelösten global wirksamen Problemen).
Wagen wir einen kurzen Blick in die jüngere Geschichte der Bewusstmachung
Der Club of Rome, 1968 von dem italienischen Industriellen (sic) Aurelio Peccei und dem schottischen Wissenschaftler und Experten für erneuerbare Energie Alexander King gegründet, warnte schon in der 1972 veröffentlichten Studie „Die Grenzen des Wachstums“ vor den zerstörerischen Entwicklungen, die die Menschheit in Gang gesetzt hatte.
Die Studie wurde am renommierten MIT (Massachusetts Institute of Technology) durchgeführt und von der Volkswagenstiftung mitfinanziert. Die Themenschwerpunkte waren Industrialisierung, Bevölkerungswachstum, Unterernährung, Ausbeutung von Rohstoffen und die Zerstörung von Lebensräumen.
In Deutschland erfolgte die Gründung der Partei „Die Grünen“ im Jahr 1980 infolge eines Zusammenschlusses verschiedener politischer und sozialer Strömungen, wie der Ökologie-, der Anti-Atomkraft-, der Friedens- und der Frauenbewegung, die teilweise bereits in den 1970er Jahren und früher ihren Anfang nahmen.
Mit den Grünen zog 1983 eine Partei in den Bundestag ein, die die aus SPD, CDU/CSU und FDP bestehende Parteienlandschaft radikal aufmischte und die Gesellschaft mit den unausweichlich gewordenen Themen konfrontierte.
Damals wirkten deren Akteur:innen und ihre Anliegen auf viele Menschen durchaus exotisch, doch es sollte sich bald zeigen, dass es die Themen der Grünen waren, die zuvor in der Studie des Club of Rome von einer der anerkanntesten Institutionen der Welt, dem MIT, behandelt worden waren und in ihrer Wichtigkeit und Bedeutung in Zukunft kaum mehr zu unterschätzen sein würden.
Megatrend Nachhaltigkeit
Das 1998 von Matthias Horx in Frankfurt gegründete „Zukunftsinstitut“ bezeichnet Neoökologie als den wichtigsten Megatrend unserer Zeit. Umweltbewusstsein ist längst der Nische entkommen und hat seinen Platz in der Gesellschaft eingenommen. Nachhaltigkeit wird zum Leitmotiv auch des modernen Wirtschaftens werden müssen und die Klimakrise hat den meisten Menschen inzwischen vor Augen geführt, dass es nur eine Welt gibt, in der alles geschieht und zugleich auch alle betrifft, nämlich genau diese, unsere Welt.
Unter dem Begriff Neoökologie fasst das Zukunftsinstitut eine Reihe weiterer Trends zusammen, die allesamt auf diesen Megatrend einzahlen. Auf der sogenannten Megatrends-Map wurden viele Einflüsse in der Darstellungsform eines Netzplans, der an die Londoner U-Bahn erinnert, miteinander in einen Gesamtzusammenhang gebracht.
Unter anderem finden sich dort die Themen Grüne Technologien, Bio-Boom, Gemeinwohlökonomie, Achtsamkeit, Kreislaufwirtschaft, Sharing Economy und Sinn-Ökonomie wieder.
Wie man es auch dreht und wendet, Nachhaltigkeit, Umweltschutz und eine deutlich sozialer funktionierende Wirtschaft gehören zu den drängendsten Themen unserer Zeit und fordern sowohl unser Handeln als auch unser Unterlassen ein.
Handlungsebene Entrepreneurship
Es wird kaum verwundern, dass in einer sich immer schneller verändernden Welt sich auch das Wesen der Unternehmer:innen verändert. Das Unternehmer:innen-Bild wandelt sich innerhalb der Gesellschaft nur langsam und in weiten Teilen mag noch immer die Vorstellung vom gierigen und ausschließlich auf den eigenen Profit ausgerichteten dominanten Unternehmer, meist in männlicher Verkörperung, vorherrschen.
Bei genauerer Betrachtung kann man vier verschiedene mentale Zustände beobachten, aus denen heraus Unternehmer:innen agieren:
- Der Kampf um das nackte Überleben steht im Vordergrund
- Die Maximierung des persönlichen Profits steht im Vordergrund
- Der Kundennutzen steht im Vordergrund
- Der gesellschaftliche/gemeinschaftliche Nutzen steht im Vordergrund
Diese vier Zustände beschreiben die jeweils vorherrschenden Motive der unternehmerisch handelnden Personen und zeigen zugleich eine weitere wichtige Dimension auf: den Bezug dieser Personen zur Gesellschaft, in der sie leben.
Es ist nicht besonders schwer, die ersten beiden Motive (Überleben und Profitmaximierung) in der Landschaft der Unternehmer:innen zu identifizieren. Sie kommen relativ oft vor.
Eine klare und konsequente Ausrichtung auf die Bedürfnisse der Kund:innen ist schon weit seltener anzutreffen und die letzte Gruppe beschreibt eine noch immer sehr rare Spezies, zu der aus meiner persönlichen Sicht auf jeden Fall Menschen wie Christian Kroll gehören, der im Jahr 2009 die Suchmaschine Ecosia initiierte und damit seitdem die kontinuierliche Aufforstung der Erde mit Millionen Bäumen finanziert.
Ganzheit durch Sinnstiftung
Schauen wir uns einmal das Wort „Sinn“ und seine Etymologie an. Interessant sind die zwei Richtungen, in die die indogermanische Bedeutung „sent“ für „gehen und streben“ einerseits und die lateinische für „sentire“ für „empfinden und wahrnehmen“ gehen.
Das Bild (02) zeigt, dass Sinn zwei Dimensionen hat, eine innere und eine äußere, und dass diese im Menschen zusammenkommen. Wir Menschen wollen Sinn empfinden und das geht, indem wir etwas tun, das wir als sinnvoll empfinden. Eigentlich ganz einfach. Mit Blick auf unternehmerische Aktivitäten wird das Ganze schon deutlich komplexer, da sich diese stets in einem gesellschaftlichen Kontext befinden, der weit über die private Ausgestaltung von Sinn hinausgeht.
Ein Ausblick auf die Zukunft
Die Bemühungen, einheitliche Qualitätsmerkmale und -kriterien für sinnstiftende Unternehm*ungen zu entwickeln und zu etablieren, werden zeigen, mit welcher enormen Komplexität wir es innerhalb der bestehenden Unternehmenslandschaft zu tun haben.
Die derzeitigen und gängigen Marktmechanismen können derartige Governance-Aspekte nicht regulieren, so wie sie auch schon in der Vergangenheit regelmäßig bei der Sicherung gemeinschaftlich-orientierter Qualitäten versagt haben.
Der Weg in die Zukunft des Wirtschaftens in Richtung einer freundlichen Ökonomie wird vermutlich aus verschiedenen Wirkungskomponenten bestehen. Zu allererst steht aus meiner Sicht die Bewusstwerdung auf dem Plan. Es gilt, einen ganzheitlichen Blick auf Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft im Sinne einer Gemeinschaft zu entwickeln.
„Technische Lösungen alleine werden uns nicht den Weg zeigen, es braucht insbesondere Bewusstheit und eine Art angewandte Weisheit.“
Die zweite Komponente wird aus Regeln bestehen, die diese neue Ökonomie entlang von klar definierten Qualitäten steuern, um die Dominanz der reinen Rentablitätsanforderungen zu ersetzen.
Und schließlich geht es darum, neue Fähigkeiten darin zu erwerben, sinnstiftende Themen, Maßnahmen und Unternehm*ungen im Hinblick auf ihre Wirksamkeit für die Gemeinschaft zu identifizieren.
Bei der Umsetzung schließlich können wir vermutlich auf die Kraft und die Kreativität von Entrepreneur:innen vertrauen, die schon in der Vergangenheit gezeigt haben, dass unternehmerische Energie Berge versetzen kann.
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