Collage, Das letzte Abendmahl, Pessach

Happy Feiertag?

Warum Glückwünsche auch deplatziert sein können.

Eine plurale Gesellschaft möchten wir sein. Wir sind woke, am Start, ally – und trotzdem unaufmerksam, wenn es um Kleinigkeiten wie Feiertage und Feste anderer Religionen und Kulturen geht. Warum hören wir nicht besser zu?

Ich hab gemerkt, ich habe ein Problem mit Aufmerksamkeit. Allerdings nicht (nur) mit meiner eigenen, sondern vielmehr mit der anderer Leute. Klingt harsch, ich weiß.

Im Alltag befinde ich mich immer wieder in Situationen, die mich – vielleicht auch unnötigerweise – aufregen. Und schon merke ich, dass ich mich direkt für meine Beobachtung entschuldigen möchte, obwohl ich ja eigentlich will, dass sich die anderen entschuldigen. Nun ja.

»Ich hab gemerkt, ich habe ein Problem mit Aufmerksamkeit. Allerdings nicht (nur) mit meiner eigenen, sondern vielmehr mit der anderer Leute.«

Stellt euch vor, ihr führt ein Gespräch mit einer Person, die ihr gut kennt. Ihr sprecht über dies und das und kommt dabei auf das Thema Ostern, da der Feiertag demnächst ansteht. Ihr erläutert, dass ihr das Fest nicht feiert, da ihr jüdisch seid. Stattdessen steht bei euch demnächst Pessach an, das Fest, das btw Jesus beim letzten Abendmahl gefeiert hat. An Pessach erinnern wir uns an den Auszug aus Ägypten und all die Strapazen, die es davor und währenddessen für das jüdische Volk gab. Irgendwann ist das Gespräch zu Ende, ihr geht nach Hause und zwei Tage später bekommt ihr eine Nachricht von genau dieser Person, die euch ein kleines Bild mit Hasen und Eiern schickt, darunter: „FROHE OSTERN!“

An dieser Stelle würde ich liebend gern eine Umfrage unter meinen fellow Jews machen, um zu erfahren, wie sie darauf reagieren würden. Zur Auswahl stehen:

  1. Ich schreibe einfach „(Dir auch) Frohe Ostern“ zurück.
  2. Ich schreibe zurück, dass ich ja kein Ostern, sondern Pessach feiere, ihr aber alles Gute zum Fest wünsche.
  3. Ich schreibe: „WTF?! Ich hab‘ dir doch vorgestern erzählt, dass ich kein Ostern feiere. Hattest du mir nicht zugehört?“

Als ich mich letztens in genau dieser Situation befand, entschied ich mich für Option 2. Hätte aber eigentlich sehr gern Option 3 gewählt. „Warum denn so aggro, Victoria?“, denkt ihr euch jetzt vielleicht.

Symbolbild, Eid
Eid Mubarak! (Datteln) Essen verbindet. Foto: ©RODNAE Productions

Vermutlich bin ich einfach müde. Müde, meine Jüdischkeit immer wieder zu erklären. Müde, immer wieder zu erklären, dass ich wirklich, wirklich gar kein Weihnachten feiere und kein Ostern – nicht mal ein bisschen. Müde, jeden Feiertag jedes Jahr aufs Neue zu erklären, obwohl man im letzten Jahr schon ein kurzes Referat dazu im Café gehalten hat, als die Freund:innen schon wieder vergessen hatten, worum es da nochmal ging.

Versteht mich nicht falsch. Natürlich freue ich mich, wenn man sich für die jüdischen Traditionen interessiert. Natürlich gibt es da draußen viele Menschen, die bisher keinen bis wenig Kontakt mit dem Judentum und lebenden Juden und Jüdinnen hatten. Natürlich bin ich bereit, den Menschen zu sagen, was wir wann warum feiern, mit wem und wo.

Es bleibt trotzdem der innige Wunsch, dass die Aufmerksamkeit steigt.

Symbolbild, Chanukka
Demnächst überall erhältlich, wo es Adventskalender gibt? Foto: ©RODNAE Productions

Meine Tochter ist 8 Jahre alt, ging in den jüdischen Kindergarten (genau wie ich) und nun ist sie in der jüdischen Grundschule. Sie kennt sich mit den Feiertagen, Bräuchen und Segensprüchen sehr gut aus und es ist ihr ein großes Anliegen, dass wir die Feste zu Hause auch begehen. Wir machen das mit großer Freude.

Jedes Jahr zu Weihnachten und Ostern, wenn im Fernsehen fast nur noch Werbeclips passend zu diesen Feiertagen laufen, fragt sie uns, warum das so präsent sein muss. Warum wird in den Sendungen nicht auch darauf hingewiesen, welche Feste andere Religionen (Plural!) feiern? Wenn es mal in einer ihrer Wissenssendungen um jüdische Feiertage geht, macht sie einen Freudensprung.

Dabei wäre es doch gar nicht so kompliziert, auch Chanukka- und Pessach-Deko bei TEDI, Nanu Nana oder Depot zu verkaufen? An den Eingängen zu Supermärkten könnten neben den bunten Fensterfolien, auf denen „Lecker Weihnachten“ und „Ei ei ei, jetzt ist Ostern“ steht, auch „Eid Mubarak“ oder „Happy Nowruz“ prangen.

Denn Feiern ist cool! Warum feiern wir nicht lieber einfach alle möglichen Feste gemeinsam, anstatt uns nur auf Jesus zu konzentrieren?

Ich bin davon überzeugt, dass wir echte Diversität und Intersektionalität nur hinbekommen, wenn wir aufmerksam und empathisch sind. Es sind die kleinen Dinge.

»Warum feiern wir nicht lieber einfach alle möglichen Feste gemeinsam, anstatt uns nur auf Jesus zu konzentrieren?«

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​​Victoria Blechman-Pomogajko ist 1989 in Moskau geboren und kam im Alter von zwei Jahren nach Köln. Sie besuchte den jüdischen Kindergarten, engagierte sich im jüdischen Jugendzentrum, war Gruppenleiterin im jüdischen Ferienlager und auch Vorsitzende des jüdischen Studierendenverbands Köln. Im November 2016 gründete sie das Kunstfestival ART@TECH, das sie auch kuratiert. Seit Anfang 2018 plant, organisiert und moderiert Victoria als Freelancerin Veranstaltungen für verschiedene Auftraggeber, z.B. den Digitale Leute Summit, und ist Mitgründerin der moversxshakers UG.

Foto: ©Martin Förster

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