feministische außenpolitik

Feministische Außenpolitik II

Eine kritische Auseinandersetzung

Im ersten Teil der Artikelreihe zu feministischer Außenpolitik wurde herausgearbeitet, was das Konzept umfasst. Vor allem vor dem Hintergrund des bewaffneten Konflikts in der Ukraine wird die feministische Außenpolitik immer mehr infrage gestellt. Ob sie wirklich zum Scheitern verurteilt ist, soll anhand dieser kurzen Analyse ihrer Umsetzung in Deutschland und Schweden untersucht werden.

Feministische Außenpolitik in Deutschland

Im Koalitionsvertrag heißt es, dass „im Sinne einer Feminist Foreign Policy Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen weltweit [zu] stärken und gesellschaftliche Diversität [zu] fördern [sind].“  Interessanterweise richtet sich Feminist Foreign Policy an Frauen und Mädchen als Adressatenkreis. Auf weitere marginalisierte Gruppen wird im Koalitionsvertrag nicht eingegangen. Dies kann zum einen daran liegen, dass sich die Ampelkoalition über die genaue Umsetzung von feministischer Außenpolitik nicht einigen konnte, zum anderen auch daran, dass feministische Außenpolitik in Deutschland stark verknüpft ist mit der Resolution 1325 „Frieden, Frauen und Freiheit“ des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 30. Oktober 2022, die lediglich Mädchen und Frauen adressiert. 

Weiterhin treffen die Bestimmungen des Koalitionsvertrags keinerlei Aussage über die signifikante Bedeutung von Aufrüstung und Geschlechtergerechtigkeit, welche von der Internationalen Frauenliga für Freiheit (IFFF) als zentrale Bedrohung des Hauptziels von FFP, der Herstellung von Sicherheit und dauerhaftem Frieden für alle, angesehen wird. Die IFFF ist nämlich der Ansicht, dass Waffen in der patriarchalen Gesellschaft als Gewaltmultiplikatoren dienen und ihre Verbreitung bewaffnete Konflikte weiter bestärkt und vorantreibt. Dies hätte zur Folge, dass die bestehenden ungleichen Machtverhältnisse vertieft werden.

Wenn man dies nun auf den anhaltenden bewaffneten Konflikt in der Ukraine überträgt, scheinen die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine auf den ersten Blick nicht zur Förderung der Ziele einer feministischen Außenpolitik beizutragen. Allerdings dienen die Ausrüstungs- und Waffenlieferungen aus den Beständen der Bundeswehr nicht ausschließlich, aber zu großen Teilen auch dem Schutz der Mädchen, Frauen und weiterer marginalisierter Gruppen vor völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen. Dies wird unter anderem in der Rede von Annalena Baerbock vom 23. September 2022 vor der UN-Generalversammlung deutlich, in der es heißt: „Sei es in der Ukraine, in Myanmar, in Äthiopien oder in der Demokratischen Republik Kongo: Wir dürfen Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt nicht dulden. Ganz gleich, wo diese Verbrechen verübt werden.“

Durch die Ausrüstungs- und Waffenlieferungen kommt Deutschland seiner Pflicht aus der Resolution 1325 nach, die sich aus dem verpflichtenden Aktionsplan zum Schutz der Frau in bewaffneten Konflikten ergeben.

Es bleibt abzuwarten, ob die Ziele der feministischen Außenpolitik in den kommenden Jahren um einen erweiterten Kreis von Adressat:innen angepasst werden und wie feministische Außenpolitik sich angesichts der vorhandenen außenpolitischen Konfliktsituationen behaupten wird. Es kann bereits zum jetzigen Zeitpunkt festgestellt werden, dass in der deutschen Außenpolitik zumindest die Belange der Frauen und Mädchen und deren Schutz in den Fokus des Handelns gerückt sind.

Feministische Außenpolitik in Schweden

Wenn es um feministische Außenpolitik geht, nimmt Schweden eine Vorreiterrolle ein. Das Konzept wurde bereits in 2014 unter der Außenministerin Margot Wallström eingeführt und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt.

Die Umsetzung von feministischer Außenpolitik sowie ihr Vorantreiben verlief allerdings nicht immer geradlinig. Von 2017 bis 2018 war Schweden Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. In dieser Rolle wird auserwählten Staaten eine wichtige Funktion im Agenda-Setting zuteil, die maßgeblich für die außenpolitische und völkerrechtliche Gestaltung der internationalen Ordnung ist. In dieser Rolle betonten die Vertreter:innen Schwedens, dass sie im Rahmen ihrer Mitgliedschaft die Zielsetzungen der feministischen Außenpolitik auf die internationale Bühne bringen wollen, indem insbesondere die Rechte von Frauen sowie Konfliktprävention im Allgemeinen in den Fokus des Sicherheitsrats rücken sollen. Entgegen der Ankündigung wurden wichtige Punkte allerdings nicht ausreichend thematisiert. Weder wurden Aspekte der Ab- und Entrüstung im Zuge der Verwirklichung der Resolution 1325 vorangetrieben, noch wurde auf den Zusammenhang zwischen der Verbreitung von Handwaffen und der Gewalt an Frauen aufmerksam gemacht, obwohl es sich dabei um ein zuvor explizit hervorgehobenes Ziel als Mitglied des Sicherheitsrats handelte.

Auch die Ergebnisse des OECD Development co-operation Peer Review von 2019, bei der OECD-Mitgliedsstaaten alle fünf bis sechs Jahre einer individuellen Beurteilung unterzogen werden, verdeutlichen, dass in Sachen Umsetzung feministischer Außenpolitik der Anspruch zunächst auch hinter der Realität zurückbleibt. Dort heißt es: „{…} Sweden score{s} poorly on security due to its {…} high share of arms export to countries with poor human rights records and undemocratic regimes.“ (übersetzt: (…) Schweden schneidet beim Thema Sicherheit schlecht ab, weil es einen hohen Anteil an Waffenexporten in

Länder mit schlechter Menschenrechtsbilanz und undemokratischen Regimen hat). Selbst unter der Voraussetzung, dass Waffenlieferungen im Rahmen einer feministischen Außenpolitik ein legitimes Mittel darstellen – wie beispielsweise im Falle von deutschen Waffenlieferungen in die Ukraine –, scheint es höchst fragwürdig, ebenfalls Lieferungen an Länder zu veranlassen, die sich durch Menschenrechtsverletzungen und undemokratische Regime auszeichnen. In solchen Fällen scheint das finanzielle Interesse an Gewinnmaximierung den Wunsch nach einer feministischen Außenpolitik zu überwiegen.

Nichtsdestotrotz bleibt festzuhalten, dass Schweden im europäischen Raum dennoch eine Sonderstellung  einnimmt, die letztlich auch der französischen und deutschen Umsetzung als Vorbild dient. Durch die schwedischen Bemühungen wurde feministische Außenpolitik erstmals auf die globale Bühne gebracht und als Konzept derart mit Inhalt gefüllt, dass sie für den heutigen Diskurs unerlässlich ist.

Fazit

Um zu gewährleisten, dass die Hauptziele von feministischer Außenpolitik erreicht werden können, muss an den Grundursachen der vorherrschenden Konflikte gearbeitet werden. Aus diesem Grund ist es zu einseitig gedacht, feministische Außenpolitik als utopischen Wunsch oder realitätsfernes außenpolitisches Konzept zu verstehen. Aus dem Umstand, dass feministische Außenpolitik ihr volles Potential nicht entfalten kann, ist nicht auf eine komplette Unwirksamkeit zu schließen. Solange ein Festhalten an dem militarisierten Sicherheitskonzept in falsches Verständnis von Sicherheit aufrechterhält und bestehende Machtstrukturen bestärkt, kann eine feministische Außenpolitik nicht vollständig umgesetzt werden. Folglich bedarf es einer strukturellen Veränderung des globalen Sicherheitsverständnisses, der die Diskrepanzen zwischen Wunsch nach feministischer Außenpolitik und ihrer Umsetzung abfedert.

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Hoda Bournenanes Interessenschwerpunkt liegt im Kriegs- und Sicherheitsrecht.

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