Rassismus sichtbar machen
Das neue Workshop-Format des Essener VielRespektZentrums
Wie können Nichtbetroffene von Rassismus in die Lage derer, die rassistische Diskriminierung und damit Othering, Ausgrenzung und Ablehnung täglich erfahren, versetzt werden? Wie kann subtiler Alltagsrassismus so sichtbar gemacht werden, dass Nichtbetroffene ihn erkennen und sich mit Betroffenen solidarisieren können? Diesen Fragestellungen wurde im Rahmen des Projektes „Antirassismus-Brille“ im Essener VielRespektZentrum nachgegangen: Herausgekommenen ist ein Konzept, das auf moderne Technik setzt.
Das VielRespektZentrum liegt im Kreuzeskirchviertel der Essener Innenstadt. Es fördert Vielfalt und Respekt durch eigene Angebote, Veranstaltungen, Projekte und Kooperationen mit Vereinen. Vor allem aber bietet es die Möglichkeit zum Austausch und zur Begegnung. Es ist ein Ort, an dem Vielfalt ausdrücklich erwünscht und erfahrbar ist und der Fokus auf den Gemeinsamkeiten und nicht auf den Unterschieden liegt.
Neben den aktuellen Projekten und Angeboten wie Empowerment für Ausländer*innen (Hilfe in Sachen Bürokratie), Konfliktsprechstunden (die Möglichkeit, mit einer Mediatorin Konflikte zu beseitigen), Help & Meet for Ukrainians (ein Hilfs- und Austauschformat für ukrainische Menschen) wird mit Hochdruck an der Fertigstellung des Projektes „VRZ360 – Antirassismus-Brille“ gearbeitet.
Mit virtueller Realität Antirassist:innen gewinnen
Der Workshop wird ab Herbst in Kleingruppen im Zentrum stattfinden und besteht aus theoretischem Input und praktischer Mitarbeit. Zielgruppe sind zunächst Schüler:innen ab der zehnten Klasse bzw. Menschen über 16 Jahren. Kern des Workshops ist eine Virtual-Reality-Brille, die Nichtbetroffene in drei Situationen, in denen Alltagsrassismus zum Ausdruck kommt, mittels Videos virtuell eintauchen lässt.
Zunächst sitzt die:der Workshop-Teilnehmer:in an einer Bushaltestelle und wartet gemeinsam mit einem Mann und einer Frau auf den Bus und wird plötzlich rassistisch attackiert. Die zweite Szene spielt im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge während eines Asylprozesses. Durch unsensible, unangemessene, verhörähnliche Fragen wird der institutionelle Rassismus vermittelt. Das letzte Video zeigt ein Bewerbungsgespräch und enthält zahlreiche (subtile) rassistische Diskriminierungen.
Der erste Schritt, um Rassismus zu bekämpfen, und auch Ziel des Tools, ist die Sensibilisierung. Subtiler Rassismus ist für Nichtbetroffene oftmals nicht zu erkennen und demnach leicht zu ignorieren. So kann ein tief und fest verankertes System fortbestehen. Erst wenn subtiler Rassismus überhaupt als solcher erkannt wird, kann im nächsten Schritt auch eingegriffen werden und den Betroffenen gegenüber Solidarität gezeigt werden.
„Der erste Schritt, um Rassismus zu bekämpfen, und auch Ziel des Tools, ist die Sensibilisierung.“
Bisherige Testversuche des Konzeptes
Die unmittelbaren Reaktionen auf die virtuelle Darstellung reichen von Betroffenheit und Scham bis hin zu Ablehnung und Abwehr –
Stichwort „white fragilityDie fragile Reaktion weißer Menschen, wenn man sie mit den eigenen rassistischen Denkmustern konfrontiert.“. Oft kommt es auch zur Verharmlosung des Ereignisses („Ich kann mir kaum vorstellen, dass es tatsächlich noch so in den Behörden abläuft“). Ein wunder Punkt scheint also grundsätzlich getroffenen zu sein.
Grundsätzlich geht es darum, Nichtbetroffene dazu zu bringen, sich mit Rassismus auseinanderzusetzen. Diese Auseinandersetzung ist deshalb so unbequem, weil sie eben auch mit der Hinterfragung des eigenen, über Generationen weitergegebenen Verhaltens einhergeht. Dennoch ist diese Auseinandersetzung wichtig, um zu verstehen, wie viel Platz zum Teil versteckte, aber auch offensive rassistische Anfeindungen im Alltag vieler Menschen einnehmen und wie wichtig die Rolle und damit auch die „Macht“ jeder einzelnen Person bei der Dekonstruktion von subtilem Rassismus ist.
Wenn dieses Tool mehr Nichtbetroffene dazu bringt, subtilen Rassismus zu erkennen, und die Wichtigkeit der Intervention und Handlungsbereitschaft verdeutlicht, können folglich viele rassistische Anfeindungen entlarvt und vermieden werden. Es geht dem Zentrum also im Rahmen des Workshops darum, Nichtbetroffene mit neuem rassismuskritischerem, antirassistischem Wissen und hoffentlich als Verbündete, mit einem neuen Blickwinkel zu entlassen.
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