Lebenslanges Lernen

Josefa van der Zander spricht 15 Sprachen

Sprache ist für Josefa van der Zander Melodie. Wenn sie fremde Sprachklänge hört oder Menschen mit einer anderen Nationalität begegnet, ist es um van der Zander geschehen. Sie ist neugierig, will in die Welt der anderen Person eintauchen und lernt ihre Sprache.

Die Faszination für fremde Klänge spürte die gebürtige Viersenerin schon als Kind. Im Bunten Garten in Mönchengladbach kam sie mit vier Jahren zum ersten Mal mit einer anderen Sprache in Kontakt. „Ich glaube, es waren Familien von Besatzungssoldaten, die Englisch sprachen. Ich war sofort fasziniert von dem Klang der Sprache und wollte das auch lernen,“ erzählt sie begeistert. Ihre Stimme hüpft ein bisschen vor Freude.  

Da ihre Familie 20 Kilometer von Holland entfernt wohnte, machte sie als Kind oft Ausflüge ins Land der bunten Tulpen „Wir tankten in Holland einfach günstiger, bekamen dort guten Kakao und andere Lebensmittel. Mir hat das unheimlich gut gefallen, dass ich im Grenzgebiet wohnte, weil ich dann immer wieder in eine fremde Kultur schnuppern konnte. Wir waren wirklich oft da. Holländisch konnte ich nicht, obwohl meine Großmutter gebürtige Holländerin war. Das habe ich erst im Lockdown gelernt.“

Sprache lernen

Erste Erfahrungen mit Sprachenlernen

Mit zehn Jahren lernte Josefa van der Zander zuerst Englisch am Mädchengymnasium. Es folgten Latein und Französisch, an der Volkshochschule belegte sie noch einen Spanischkurs. Sie ist dankbar, dass sie so früh Latein lernte. „Es ist so eine grandiose Grundlage, um andere Sprachen zu lernen. Auch in der Wissenschaft und Kultur ist Latein unabdingbar.“ 

Später studierte sie Romanistik, Französisch und Spanisch auf Lehramt für die Gymnasialstufe. Im Studium lernte die Lehramtsstudentin weiterhin Englisch und Französisch, zudem Rumänisch, Katalanisch und Portugiesisch. Doch ihre große Liebe galt schon immer dem Italienischen, weil ihr das Fließende sehr gefällt „und natürlich die italienische Lebensart.

Italiener wissen es zu genießen und sind offen für neue Begegnungen,“ schwärmt die Romanistin. „Außerdem habe ich mich mit 15 in einen Italiener verliebt. Er war meine erste Liebe.“ In Italien verbrachte die Mitte 20-Jährige einen ihrer schönsten Urlaube, obwohl das Jahr sehr schmerzhaft mit dem Tod ihres französischen Freundes begann. 

Eine aufregende Italienreise 1982

„Ich spürte eine große innere Leere. Ich habe ihn sehr geliebt,“ erzählt die Niedersachsenerin. Im Sommer nach Beginn ihres Referendariats nahm sich Josefa van der Zander mit einer sechswöchigen Reise nach Italien eine Auszeit vom Alltag. Doch alles ging schief. Sie verpasste ihren Bus, fuhr dann per Anhalter zur Jugendherberge in der Nähe von Florenz, doch das Tor war zu. Der Autofahrer schlug vor, dass er sie bei seiner Schwester in Prato einquartieren könne. Sie willigte ein. Am nächsten Tag machte ihr der Ehemann der Schwester den ungewöhnlichen Vorschlag, sie nach Süditalien zu seinem Freund Gianni zu schicken. Sie willigte dankbar ein. 

Josefa van der Zander wohnte in Giannis Wohnung, der sich währenddessen bei seiner Mutter einquartierte. „Das war für mich das Größte, was ich jemals erlebt habe! Jeden Tag besuchten mich Giannis Musiker- und Künstlerfreunde und luden mich ein, etwas zu unternehmen. Wir fuhren mit dem Moped auf den Vesuv und nach Ischia und sie nahmen mich mit zu ihren Konzerten. Es war ein toller Urlaub!“ Van der Zander ist sich sicher: Mit Sprachbarriere hätte sie niemals so viel aus dem Urlaub mitgenommen.

Viel auf Reisen, viel am Sprachenlernen

Im Anschluss gab sie teils privat, teils an der Volkshochschule in Bonn und Viersen Italienischkurse. Der Slogan eines Reiseveranstalters beschreibt Josefa van der Zanders Leben gut: „Rein ins Land, raus mit der Sprache“. Sie bereiste nicht nur Südeuropa, sondern auch Norwegen, Ecuador, Kolumbien, die Dominikanische Republik, Haiti, Marokko, Tunesien, Ägypten, Panama und Russland. „Russisch habe ich in der Schule im benachbarten Jungengymnasium gelernt,“ erklärt van der Zander stolz. Für Urlaubsaufenthalte lernte sie etwas Dänisch, Schwedisch, Kroatisch, Bulgarisch und Ungarisch. Türkisch lernte sie, weil ihre Tochter Rona sie fragte, warum sie kein Türkisch spreche. Also lernte sie es mit über 40.

Neue Begegnungen inspirieren die 66-Jährige. „Manchmal lerne ich jemanden kennen und dann habe ich Lust, dessen Sprache zu lernen. Das ging mir zum Beispiel mit Polnisch so. Ich will einfach wissen, wie die Sprache klingt und wie sie sich anfühlt.“ Wenn Josefa van der Zander beim Zugfahren eine ihr fremde Sprache hört, dann lauscht sie. „Bevor ich aussteige, gehe ich zu der jeweiligen Person und frage ganz freundlich, welche wunderschöne Sprache das ist. Dann hole ich mir ein Büchlein mit CD und höre da einfach rein.“ So lernte sie zum Beispiel Persisch. „Manchmal höre ich in Sprachen rein, lerne sie aber nicht. Also zum Beispiel Albanisch, Madegassisch, Persisch, Kurdisch, Maltesisch, Hindi oder Vietnamesisch.“ 

Von Klezmermusik zum Jiddischen

Den Anspruch, alle Schriften lesen zu können, hat sie nicht. Nur Jiddisch kann sie gut lesen. Von rechts nach links, von hinten nach vorn. Die Sprache entdeckte sie für sich, als sie wieder anfing, Klavier zu spielen, und so der Klezmermusik begegnete. „Klezmer hat so viel Seele, Wehmut und gleichzeitig ist die Musik voller Freude.“ Sie sog die Musik und die Sprache in sich auf, auch Hebräisch lernte die Mehrsprachlerin vor Kurzem: „Weil ich mich mit Jiddisch beschäftige, dachte ich, Hebräisch gehört dazu.“ Josefa van der Zander spricht begeistert über ihr Hobby. „Wenn ich Sprachen lerne, dann merke ich nicht, dass ich alt geworden bin. Im Gegenteil: Ich fühle mich jünger. Das ist schön.“

Um eine gelernte Sprache zu bewahren, sucht sich die ehemalige Lehrerin gerne ein Sprachtandem und schreibt unter anderem regelmäßig Nachrichten nach Frankreich, Spanien, Chile und Griechenland. Auch postalisch erlebte Josefa van der Zander schon allerlei. „Ich hatte eine längere Zeit einen Brieffreund. Es stellte sich heraus, der er in einer sogenannten ‚Caserne‘ einsaß. Ich dachte, er wäre ein Soldat, und dann hat er mir später geschrieben, dass er eine 20-jährige Strafe abzusitzen hatte. Einmal hatte er die Erlaubnis, mich anzurufen. Aber ich habe ihn nicht gefragt, weshalb er einsitzt. Schließlich wollte ich ihn auch nicht heiraten oder so. Wir haben uns Briefe geschrieben, nichts weiter.“ 

Sprachen als Schlüssel zur Welt 

Er erzählte von seinem Alltag, Josefa van der Zander schickte ihm Denkanstöße aus ihrem Alltag. Einmal bekam die fleißige Briefeschreiberin tatsächlich einen Heiratsantrag aus Mexiko. „Der Mann suchte unbedingt eine Europäerin, aber ich fand das rassistisch und habe ihm geschrieben, dass er bei mir an der falschen Adresse sei.“ Sie brach den Kontakt ab. 

Auch Josefa van der Zanders Tochter Rona reist viel und gerne. Eine Geschäftsreise nach China inspirierte sie, Chinesisch zu lernen. Wie einst ihre sprachbegabte Mutter führt Rona eine internationale Beziehung. Josefa van der Zander war drei Jahre mit einem Ägypter zusammen, Rona ist seit sieben Jahren mit einem Griechen zusammen, was ihre Mutter sehr freut. Denn ihre Tochter lernt endlich Griechisch, was sich Josefa van der Zander schon lange gewünscht hatte. Sie selbst lernte mit 20 Jahren Griechisch an der Volkshochschule und wünscht sich ein Sprachtandem mit dem Freund ihrer Tochter. Für sie sind Sprachen der Schlüssel zur Welt. „Wenn du zehn Sprachen kannst, dann hast du in zehn Kulturen reingeschnuppert. Jede Sprache erweitert deinen Horizont. Es gibt ein super Sprichwort auf Türkisch, das heißt „Bir dil – bir insan, on dil – on insan.“ Eine Sprache ein Mensch, zehn Sprachen, zehn Menschen.“

Werde Demokratie-Verfechter:in
fürs DEMOS MAG

Du willst das DEMOS MAG unterstützen, weil guter, diverser Journalismus Dir am Herzen liegt und Du auch denkst, dass Demokratie keine Selbstläuferin ist? Dann spende einmalig mit einer eSpende oder werde Abonnent:in auf Steady.
Fördere mit uns den gesellschaftlichen Diskurs und gib mit Deiner Spende den im Mainstream unterrepräsentierten Stimmen mehr Gewicht.

Jetzt Abonnieren

Susanne Gietl wollte als Kind Meeresbiologin werden. Dann entdeckte sie, dass sie auch als Journalistin in andere Welten und Wissenschaftsgebiete abtauchen kann und wandte sich der schreibenden und sprechenden Zu(ku)nft zu. Gerne entwickelt sie Audioformate und Medienkonzepte. Berlin inspiriert sie, besonders immersive Performances und Interdisziplinarität in Tanz und Theater. Über ihre Erfahrungen berichtet sie u.a. auf ihrem Blog kulturschoxx.de

Foto: © Imada Spiewok

ZUM TEILEN