Celina Bostic

Know your Place

Unsichtbare Hürden im Musikgeschäft

Backgroundsingen – eine sichere Bank

Meine musikalische Karriere begann mit Anfang zwanzig als Backgroundsängerin von deutschen Größen wie Herbert Grönemeyer, Farin Urlaub oder Udo Lindenberg. Ich bekam die Jobs, weil ich singen kann, eine gute Bühnenpräsenz habe und – seien wir mal ehrlich – weil ich Schwarz bin. Schwarze Backgroundsänger:innen gehören zum Livegeschäft wie Butter aufs Brot. Die Gesellschaft ist es gewohnt, „uns“ im Background zu sehen. Know your place – kenne deinen Platz – und der ist eben in der zweiten Reihe. Anders wird es, wenn wir uns dafür entscheiden, selbst ins Rampenlicht zu treten.

Foto: ©Matt Frik

"Machen Sie Hip Hop?"

Als ich 2014 mit meinem Singersongwriter-Album durch die Republik tourte, hatte ich die Chance, bei Künstler:innen, die schon ordentlich Publikum zogen, als Vorgruppe aufzutreten und nach den Konzerten meine CDs und mein Merch zu verkaufen.

Was mir hierbei auffiel: Bei Konzerten, wo ich vor weißen Künster:innen spielte, spürte ich die anfängliche Verunsicherung des Publikums, manchmal sogar Ärger und vor allem Verwirrung: Eine Schwarze Liedermacherin mit Gitarre, die auch noch auf Deutsch singt und kein Hip Hop oder Soul macht? Das war für viele irgendwie befremdlich und hinterließ dieses nicht greifbare Gefühl von: Das da vorne ist nicht dein Platz. Als ich dann mal vor einem Schwarzen Künstler auftrat – Jackpot! Selten war ein Publikum von Anfang an so wohlwollend – und monetär gesehen habe ich das Dreifache an Einnahmen gemacht.

Aber auch andere Künstler:innen of Color werden fälschlicherweise immer wieder in der urbanen Musik verortet oder erreichen erst den ersehnten Erfolg, wenn sie diese Schubladen bedienen. Der Schwarze Popmusiker Chima erzählte im Podcast „Halbe Katoffl“, wie unter dem YouTube-Video seines Songs „Morgen“ Menschen sich darüber empörten, dass er das Lied covert, und er erst später verstand, dass sie den Song aus dem Radio kannten und sich einfach nicht vorstellen konnten, dass ein darkskinned Schwarzer Mann dieses Lied im Original gesungen hat. Die türkischstämmige Popsängerin Elif, die noch vor einigen Jahren straight-up Pop machte, startete erst nach ihrem Image-Wechsel in den Urban-Pop und Features mit Farid Bang und Samra so richtig durch. Vor einigen Wochen kam ich in einem Bekleidungsgeschäft mit einer Dame ins Gespräch und sagte ihr, dass ich ein Outfit für ein Video suchte. „Ah, machen Sie Hip Hop?“, schoss es aus ihr heraus.

Know your place – BIPOCs im Musikbusiness

Wie können wir uns von dem Schubladendenken der Gesellschaft frei machen und trotzdem von unserer Kunst leben? Das Stichwort lautet: Sichtbarkeit. Liebe Medienschaffende, ein Appell: Packt die Elektrodiva Malonda auf das Titelbild der Gala, gebt dem türkischstämmigen Sänger Ferhat, dessen sexuelle(n) Orientierung(en) in gar keine Schublade passen, eine Doppelseite in der Zeit! Und kommt mir nicht wieder mit der Ausrede, dass ihr schon ein Interview mit Joy Denalane habt und deshalb kein Platz für noch eine:n BIPOC Musiker:in ist! Es sollte einen BIPOC Anti-Klischee-Fördertopf geben: Je weniger Klischees jemand erfüllt, desto größer die Förderung. Plattenlabels, A&Rs: Findet die nächste Schwarze Rockröhre, die nächste Techno-DJane mit Hijab – traut euch mal was, ihr Luschen! Lasst uns zusammen die Sehgewohnheiten der Gesellschaft zerstören und die Schubladen mit einem großen Brecheisen aufbrechen – und sie dann aus dem Fenster schmeißen. Damit alle marginalisierten Menschen sagen können: I know my place. It is everywhere and anything I want to be.

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Celina Bostic ist Berliner Singer-Songwriterin, die schon mit Grönemeyer, Lindenberg oder dem Farin Urlaub Racing Team auf der Bühne stand.

Foto: ©Matt Frik

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