Cover „The Story of a New World“

Filme bewirken Wandel

Johanna Jaurich plant einen weltverändernden Film

Seit 2017 produziert Johanna Jaurich (28) bei fechnerMEDIA nachhaltige Filme, führt Regie und arbeitet als Autorin. In „The Story of a New World“ verknüpft sie als Co-Regisseurin neben Carl A. Fechner den Kinobesuch mit einer Social-Impact-Kampagne und kämpft so für eine bessere (Klima-)Zukunft. Susanne Gietl hat sie für das DEMOS MAG interviewt.

Wann wurdest Du zur Umweltschützerin?

Johanna Jaurich: Mit zwölf Jahren sah ich den Film „An Inconvenient Truth“  (deutsch: Eine unbequeme Wahrheit). Ich lernte viel über die Auswirkungen von globaler Klimaerwärmung. An dem Tag wurde ich zur Umweltschützerin, ein paar Jahre später wurde ich durch den Dokumentarfilm „Earthlings“ (deutsch: Erdlinge) zur Vegetarierin. Im Film wurde gezeigt, wie brutal wir Menschen mit Tieren umgehen, und dazu wollte ich kein Stück weit mehr beitragen. Seitdem weiß ich, dass Filme wichtige Instrumente sind, um Veränderungen zu bewirken, denn ich habe es an mir selbst erlebt.

Wurde zu Deiner Zeit in der Schule Klimaschutz gelehrt?

In meiner Schulzeit war Bildung für nachhaltige Entwicklung noch kein großes Thema. Vor zehn Jahren hat auch noch keiner über Fake News nachgedacht oder darüber, wie wichtig Programmieren ist. Aber jetzt findet ein Wandel statt, weil man brennende Themen wie den Klimawandel oder die Digitalisierung einfach nicht mehr ausklammern kann.

Porträt Johanna Jaurich
Porträt Johanna Jaurich © fechnerMEDIA GmbH // Oben: Cover „The Story of a New World“ © fechnerMEDIA GmbH

„In Deutschland denken viele, dass sie der Klimawandel nicht betrifft“

Es ist nicht mehr fünf vor zwölf, sondern schon fünf nach zwölf. Muss die Klimakrise erst da sein, damit man anfängt, zu handeln?

Ich glaube nicht, dass wir erst eine Krise brauchen, um ins Handeln zu kommen, aber die Klimakrise ist ein enormer Katalysator. In Deutschland denken viele, dass sie der Klimawandel nicht betrifft, oder sie schauen weg. In der Theorie unterscheidet man zwischen Change by Desaster und Change by Design. Change by Desaster bedeutet, dass man durch die Katastrophe gezwungen ist, zu handeln. Also wenn das eigene Haus unter Wasser steht, musst Du einfach was tun!

Und was ist Change by Design?

Bei Change by Design arbeitet man an nachhaltigen Lösungen. Wir haben bei der Recherche für den Film zum Beispiel von Forscher:innen erfahren, die herausgefunden haben, wie man aus CO2 Proteine machen kann.

Da möchte man gleich selbst aktiv werden.

Stimmt. Als ich 2017 „Tomorrow. Die Welt ist voller Lösungen“ gesehen habe, fand ich das sehr motivierend. In dem Dokumentarfilm werden Projekte vorgestellt, die dem Klimawandel mit ökologischen, wirtschaftlichen und demokratischen Ideen entgegenwirken. Ich wusste dann: Solche Filme möchte ich auch machen und habe mich bei fechnerMEDIA beworben.

Jaurich u. Carl A. Fechner
Jaurich mit Team © Nadja Varsani/fechnerMEDIA GmbH

 

„Der größte Hebel ist nicht weiteres Problemwissen, eine Belohnung oder Strafe monetärer Art, sondern das Gefühl, dass mein soziales Umfeld nachhaltig handelt“

Deine Bachelorarbeit in Medienwissenschaften handelt von „Tomorrow“ und den damit verbundenen Möglichkeiten der Motivation zum Umweltverhalten. Wie kann man Menschen dazu bringen, nachhaltig zu handeln?

Der größte Hebel ist nicht weiteres Problemwissen, eine Belohnung oder Strafe monetärer Art, sondern das Gefühl, dass mein soziales Umfeld nachhaltig handelt und dasselbe von mir erwartet. Deshalb ist es so wichtig, dass Menschen mit Vorbildfunktion bei nachhaltigem Handeln gezeigt werden oder auch „Fridays for Future“-Demos stattfinden, um das Gemeinschaftsgefühl zu stärken.

Dein neues Projekt „The Story of a New World” soll Menschen zu umweltbewusstem Handeln inspirieren und in 50 Ländern ausgestrahlt werden. Was kannst Du über die Handlung verraten?

Mein Co-Regisseur Carl-A. Fechner und ich haben gemeinsam mit unserem Team einen ganz besonderen Film-Plot entwickelt. Wir verweben Emotionen und reale Fakten so miteinander, dass Zuschauer:innen gut unterhalten werden und gleichzeitig konstruktive Lösungen erfahren. Wir wollen, dass sich Millionen von Menschen weltweit mit dem Film identifizieren, deshalb spielt die fiktionale Rahmenhandlung innerhalb einer multikulturellen Patchwork-Familie. Die Geschichte dient als Spiegel für unsere zerstörerischen Irrwege, unterstreicht aber auch unsere Fähigkeit, Gewohnheiten und Denkweisen ändern zu können, um zum sozial-ökologischen Wandel beizutragen. Mehr kann ich leider noch nicht verraten. Ich will ja nicht spoilern! (lacht)

 

„Wir suchen oft die Lösung im Außen. Viel wichtiger ist es aber, unser Bewusstsein zu ändern und die Lösungen bei uns zu suchen“

Es gibt so viele Möglichkeiten, die Welt zu verändern. Worauf konzentriert sich der Film?

Im Film konzentrieren wir uns auf drei Kernthemenfelder, in denen man etwas bewirken kann. In indigenen Kulturen ehrt man die Natur als Mutter Erde, im globalen Norden hingegen betrachten wir die Natur als Rohstofflager. Wir sollten unser Verhältnis zur Natur grundlegend ändern. Das zweite Kernthema ist unser Verhältnis zu uns selbst, wie wir mit anderen Menschen in Beziehung treten und wie wir uns für soziales Handeln einsetzen. Beim dritten Thema geht es um neue Materialien und Stoffe, die nicht nur weniger schlecht sind, sondern einen positiven Effekt auf unsere Umwelt haben. Wir suchen oft die Lösung im Außen. Viel wichtiger ist es aber, unser Bewusstsein zu ändern und die Lösungen bei uns zu suchen.

Welche Kernbotschaft hat „The Story of a New World”?

Wir wollen, dass Menschen sich ganz bewusst für eine andere Welt öffnen. Darin liegt die Kraft des Kinos. Die dokumentarischen Elemente nutzen wir, um dutzende inspirierende Menschen und Projekte aus der ganzen Welt vorzustellen. Sie zeigen uns Wege aus den größten systemischen Krisen unserer Zeit auf. Dabei konzentrieren wir uns auf Lösungen und nicht auf Probleme.

Wie kann man Menschen dazu bringen, für die Umsetzung des doch noch recht abstrakten Projektes zu spenden?

Durch Begeisterung. Ich glaube, dass viele Leute Menschen mögen, die für etwas brennen. Wir haben durch die Kampagne viele Menschen, unter anderem auch Influencer:innen, erreicht. Sie wollen, dass wir diese Geschichte von nachhaltigem Wandel erzählen. Natürlich darf man nicht außer Acht lassen, dass fechnerMEDIA seit 30 Jahren richtig erfolgreiche Filme macht. Wir erreichen über 15 Millionen Menschen und unsere Filme werden in 29 Sprachen übersetzt. Das wissen auch die Menschen, die uns unterstützen.

Jaurich u. Carl A. Fechner
Jaurich u. Carl A. Fechner © Nadja Varsani/fechnerMEDIA GmbH

Warum finanziert Ihr Euch durch Crowdfunding?

Wir finanzieren und produzieren „The Story of a New World” unabhängig und nachhaltig. Eine Crowdfundingkampagne passt zu unserer Vision. Viele Menschen verändern durch Crowdfunding das Gesicht der Welt. Die Ticketvorverkäufe beginnen bei 25 Euro und beinhalten vier kostenfreie Solidaritätstickets für Menschen im globalen Süden, was relativ erschwinglich ist, das Gesamtbudget von 4,6 Millionen ist es eher weniger.

Und wie läuft‘s?

Die erste Crowdfunding-Etappe war ein Riesenabenteuer. Unsere Kampagne war zu dem Zeitpunkt neben der Finanzierung des Demokratiefestivals im Berliner Olympiastadion (zwei Millionen Euro) eine der größten, die es jemals gab. Wir haben in 60 Tagen 128 800 Euro eingenommen, konnten damit die Drehbuchentwicklung finanzieren und weitere nachhaltige Unternehmen sowie Impact-Investoren gewinnen. Gerade sind wir zu 69 Prozent finanziert und suchen weitere Partner:innen. Gegen Ende des Jahres möchten wir mit den Dreharbeiten beginnen.

 

„Wir brauchen gute Unterhaltung, um in unserer sich ständig wandelnden, krisengeplagten Welt in gesunde, positive Emotionen und ins Handeln zu kommen.“

 

Warum habt Ihr Euch bei „The Story of a New World“ für eine dokufiktionale Form entschieden?
Der Erfahrung nach erreichen Dokumentarfilme zu nachhaltigen Themen vor allem Menschen, die sich ohnehin für die Energiewende und umweltbewusstes Handeln interessieren. Um mögliche Veränderungen zu bewirken, müssen wir eine kritische Masse erreichen. Deshalb nutzen wir das Beste aus beiden Welten und zeigen einen tollen Blockbuster mit bekannten Darsteller:innen und konstruktiven dokumentarischen Inhalten. Wir brauchen gute Unterhaltung, um in unserer sich ständig wandelnden, krisengeplagten Welt in gesunde, positive Emotionen und ins Handeln zu kommen.

Nach dem Film werden dem Publikum Möglichkeiten für nachhaltiges Handeln aufgezeigt. Warum ist genau das Kino der perfekte Ort für eine Nachhaltigkeitskampagne?
Wer das Kino besucht, driftet 90 Minuten in eine andere Welt. Deswegen schwärme ich auch so fürs Kino. Andererseits trifft man dort auf Menschen, die sich für die gleiche Sache begeistern. Das wollen wir nutzen und den Wandel so einfach wie möglich machen, indem wir vor Ort agieren. Im Foyer trifft man nach dem Kinofilm auf lokale Initiativen und kann mit ihnen direkt ins Gespräch kommen. Jede:r kann sich sofort engagieren und aus den Möglichkeiten das aussuchen, wofür das eigene Herz schlägt.

Quellen: https://storyofanewworld.de
https://www.grin.com/user/1843667

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Susanne Gietl wollte als Kind Meeresbiologin werden. Dann entdeckte sie, dass sie auch als Journalistin in andere Welten und Wissenschaftsgebiete abtauchen kann und wandte sich der schreibenden und sprechenden Zu(ku)nft zu. Gerne entwickelt sie Audioformate und Medienkonzepte. Berlin inspiriert sie, besonders immersive Performances und Interdisziplinarität in Tanz und Theater. Über ihre Erfahrungen berichtet sie u.a. auf ihrem Blog kulturschoxx.de

Foto: © Imada Spiewok

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