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Die Küchenbrigade

Integration à la bonne heure

Ausgestattet mit der Begabung, schwierige gesellschaftliche Themen in Sozialkomödien zu verwandeln, nimmt uns Regisseur Louis-Julien Petit in seinem neuen Film mit nach Frankreich in ein Heim für minderjährige Geflüchtete.

Spannung entsteht ja bekanntlich immer dann, wenn unterschiedliche Meinungen, unterschiedliche Milieus oder – wie hier im Film – Dosenravioli und eine Mikrowelle auf Haute Cuisine treffen. Als die Sous-Chefin Cathy Marie – gespielt von der wunderbaren Audrey Lamy, die manche sicher noch von „Der Glanz der Unsichtbaren“ kennen – in die Küche des Heimes für minderjährige Geflüchtete tritt, ist eben diese Spannung vorprogrammiert.

Im Grunde erwartet man, dass Cathy auf dem Absatz kehrt macht. Doch so einfach ist es nicht, denn ihren Job in einem Nobelrestaurant hat sie verloren und aufgeben scheint keine Option für sie zu sein, will sie sich doch endlich ihren Traum vom eigenen Restaurant erfüllen. Sie braucht also das Geld. Und so tupft sie am ersten Tag die Dosenravioli einzeln ab und zaubert aus dem sprichwörtlichen Dosenfraß ein Menü. Womit auch gleich die nächste Schwierigkeit auf den Plan rückt, denn so etwas herzurichten, braucht Zeit. Als Cathy mit allem fertig ist, haben die meisten Jugendlichen den Essensaal bereits verlassen.

Adrey Lamy im Film Die Küchenbrigade
Kochen unter widrigen Umständen. © Stéphanie Branchu / Oben: Die Küchenbrigade im Einsatz. © Stéphanie Branchu

Wer die Filme von Louis-Julien Petit kennt, der weiß, dass gerade in solchen Herausforderungen die schönsten Veränderungen stecken: Cathy braucht Hilfe? Also helfen die Jugendlichen. Und die sind hochmotiviert. Und so rückt die Aufmerksamkeit Szene für Szene weg von Cathy hin zu den Jugendlichen und ihren Schicksalen. Und ohne zu weit vorzugreifen, sei erwähnt, dass am Ende aus einer verdreckten Küche eine blitzblanke Kantine wird und aus minderjährigen Geflüchteten eine Küchenbrigade, wie man sie sich in einem Sterne-Restaurant vorstellt. Und Cathy? Die bleibt von dieser Verwandlung keineswegs unberührt.

 

 

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Cathy und ihre jugendlichen Schützlinge. © Stéphanie Branchu

Auf die Frage, warum Louis-Julien Petit diesen Stoff ausgewählt hat, antwortet er: „Seit den Dreharbeiten zu „Der Glanz der Unsichtbaren“ hat mich die Frage der Integration hier in Frankreich in all ihren Formen interessiert. Über meine Produzentin Liza Benguigui lernte ich Sophie Bensadoun kennen, die die Idee zu einem Stoff hatte, in dem es um unbegleitete minderjährige Geflüchtete ging, die über das Kochen ihren Weg in die Gesellschaft finden. Das war der Ausgangspunkt für eine lange Recherche, wie sie bei allen meinen Filmen am Anfang steht.“

Dass er dieses Thema aufgegriffen hat, ehrt ihn, denn gerade minderjährige Geflüchtete haben in Frankreich einen schlechten Stand. Oft werden sie pauschal mit Kriminellen gleichgesetzt. Sie wohnen meist isoliert in Aufnahmezentren oder werden – wenn sie in die Hände von Schleppern geraten–, ins Pariser Immigrantenviertel La Goutte d’Or gebracht, leben dort teils obdachlos und verwahrlost und werden für organisierte Diebstähle missbraucht. „Nineurs isolés“ nennen die Franzosen die vorwiegend aus Algerien und Marokko kommenden Jugendlichen und anders als hier in Deutschland, wo die unbegleiteten Minderjährigen sofort einen Vormund gestellt bekommen, vielfach auch ehrenamtlich betreut werden, sind sie in Frankreich weitestgehend auf sich selbst gestellt oder werden abgeschoben.

Und so ist es gut, dass das Thema auf den Tisch kommt. Sicher hat der Regisseur hier und da ein bisschen zu viel Puderzucker über die Handlung gestreut – die Küchenarbeit in einer Großküche mit gehobenem Anspruch ist Knochenarbeit, die man auch nicht mal eben von heute auf morgen lernt. Aber das verzeiht man beim Zuschauen, denn die Grundidee hinter dem Film sind nicht die Kochkünste, sondern die Frage, wie man jungen Menschen, die fern ab ihrer Heimat und ohne familiäre Anbindung in einem heruntergekommenen Heim gestrandet sind, eine Zukunftsperspektive geben kann. Und dass es dafür andere Menschen braucht, die die Hoffnung und den Glauben nicht aufgeben und sich mit allem, was sie haben, für die Geflüchteten ins Zeug legen.

 

Der Film „Die Küchenbrigade“ umarmt das Thema „minderjährige Geflüchtete“ liebevoll. Er schafft es, nicht nur das Schicksal der Jugendlichen in den Fokus zu rücken, sondern auch aufzuzeigen, wie jene, die mit ihnen arbeiten, daran wachsen. So antwortet die Schauspielerin Audrey Lamy auf die Frage, was ihr an der Figur Cathy besonders gefallen hat: „Von dem Moment an, in dem sie die Jugendlichen trifft, sie an ihrer Leidenschaft teilhaben lässt und sich mit ihnen austauscht, lernt sie, noch auf andere Weise großzügig zu sein als durch das Kochen. Diese wilde, aufbrausende, herausfordernde Wölfin wird reifer, indem sie ihre Leidenschaft weitergibt und sich auf neue Weise verwirklicht – bis sie am Ende versteht, was es wirklich bedeutet, Chefin zu sein. Sie bekommt endlich die Möglichkeit, etwas zu tun, man nimmt sie ernst – und diese jungen Leute bewundern sie und bereichern sie mit ihrer Kultur und ihren Erfahrungen. Diese Frau, die sich von ganz unten hochgekämpft hat, wird sich mit ihrer Küchenbrigade eine Familie schaffen.“

Mein Fazit: Ein berührender und mitreißender Film. Absolut sehenswert!

Quelle und weitere Informationen:
https://kuechenbrigade.piffl-medien.de/

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Jeannette Hagen arbeitet als freie Autorin und Kolumnistin in den Schwerpunkten Gesellschaft, Psychologie, Politik und Kunst für verschiedene Medien und Verlage. Neben dieser Arbeit und dem Studium der Politikwissenschaft an der FU Berlin setzt sie sich aktiv für Menschenrechte ein.

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