Team Zusammenleben Willkommen

Zusammenleben Willkommen – WG statt Lager!

WG-Zimmer für geflüchtete Menschen

Bei ZUSAMMENLEBEN WILLKOMMEN werden Menschen, die Wohnraum anbieten, und geflüchtete Menschen, die Wohnraum suchen, zusammengebracht, um ein privates Zusammenleben auf Augenhöhe zu initiieren. Zudem kritisiert die NGO die zentrale Unterbringung in Lagern, die Menschen stigmatisiert und ausgrenzt.

Das Thema Wohnen entfaltete in den letzten zehn Jahren immer mehr Sprengkraft: Schlagwörter wie Wohnraummangel, Verdrängung und Mietsteigerung sind Inhalte der Debatten und führen vor allem in den großen Städten und Ballungsräumen zu Protesten und Initiativen. Spätestens nach dem gescheiterten Mietendeckel in Berlin im April letzten Jahres ist die Thematik bei der breiten Bevölkerung angekommen

Umso wichtiger wird es, auf marginalisierte Gruppen zu achten. (Fast alle) Geflüchtete Menschen sind verpflichtet, im Laufe ihres Asylverfahrens an einem ihnen zugewiesenen Ort zu leben, oft auch über das Asylverfahren hinaus. In diesen Lagern ist ein menschenwürdiges Leben nicht möglich und besonders die Corona-Pandemie hat die vielen verschiedenen Problemfelder des Lagerlebens wie unter einem Brennglas offenbart. ZUSAMMENLEBEN WILLKOMMEN vermittelt daher in erster Linie mit dem Ziel, Menschen aus den Lagern einen Wohnraum zu bieten, in dem man leben kann. Dabei wird bewusst der Begriff „Lager“ gewählt, da dieser von Geflüchteten-Selbstorganisationen benutzt wird. Zudem beschönigt er die Situation nicht, wie es Begriffe wie „Sammelunterkunft“ tun.  

Angefangen hat die WG-Vermittlung für geflüchtete Menschen 2014, als Mareike und Jonas, die Gründer:innen von ZUSAMMENLEBEN WILLKOMMEN, angeregt durch die Proteste geflüchteter Menschen am Oranienplatz in Kreuzberg, die Idee kam, ihr freies Zimmer einer Person zur Verfügung zu stellen, die mit rassistischer Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt konfrontiert wird. Mit der Unterstützung vieler Menschen konnte zunächst durch Spenden aus der privaten Initiative eine Plattform aufgebaut werden. Heute vermitteln sie Wohnraum in ganz Deutschland und haben Büros in Berlin und Leipzig. Auf der Homepage können sich sowohl suchende Geflüchtete als auch Leute, die Wohnraum anbieten, anmelden. Dort werden auch Videos angeboten, die in mehreren Sprachen erste Informationen zur Wohnungssuche liefern. Das zwölfköpfige Team verteilt sich deutschlandweit und legt inzwischen besonderen Wert auf eine nicht-weiß dominierende Teamzusammensetzung.

Wohnen ist Menschenrecht

Obada von Zusammenleben Willkommen
Obada hat nach der erfolgreichen WG-Vermittlung auch bei uns gearbeitet @Archiv Zusammenleben Willkommen / Oben: Das sind wir! Teil unserer Gruppe bei den Teamtagen in Lüsse bei Bad Belzig im Juli 22

Eine kontinuierliche Selbstreflexion über die eigenen Rollen und die Arbeit in der Geflüchtetenpolitik sowie die Beschäftigung mit Machtverhältnissen in verschiedenen Kontexten sind allen im Team sehr wichtig. Die Aufgabenfelder sind zum einen aufgeteilt in eine Vermittlungs- und Beratungsgruppe: Hier kommunizieren sie zwischen den Menschen, die Wohnraum suchen und anbieten, helfen bei behördlichen Angelegenheiten und beraten rund um das Thema Wohnen und Wohngemeinschaft. Zum anderen gibt es nach Regionen verteilt Ehrenamtskoordinationen, die ehrenamtliche Unterstützer:innen betreuen und begleiten. Bei ZUSAMMENLEBEN WILLKOMMEN können sich alle, die Lust haben, gemeinsam geflüchtete Menschen zu supporten, bundesweit in den Lokalgruppen engagieren und zum Beispiel bei der Zimmersuche direkt helfen oder für die offenen Beratungen oder in der Öffentlichkeitsarbeit tätig sein. Dazu werden antirassistische Weiterbildungen und Ehrenamtsseminare angeboten. Hinzu kommen noch Personen, die sich um die PR, Buchhaltung, die Vereinsarbeit und das Controlling kümmern.

Obada gehört zu den inzwischen 600 erfolgreich an WGs vermittelten Personen. Er bringt es auf den Punkt, wenn er von seinen eigenen Erfahrungen in einer Massenunterkunft berichtet: „Du kannst nicht mal entscheiden, wann du schläfst oder aufstehst, du kannst kein ordentliches Leben führen. Integration ist in einem Lager nicht möglich.“ Ein menschenwürdiges Leben bedeutet Privatsphäre, ein familien- und kindgerechtes Umfeld und gesellschaftliche Teilhabe. Die Lager, in denen derzeit über 300.000 Menschen in Deutschland untergebracht werden, können und wollen das nicht gewährleisten. Daher ist die Arbeit so wichtig, trotzdem ist ZW davon überzeugt, dass so lediglich die Symptome bekämpft werden. Ihr Ziel bleibt die völlige Abschaffung von Lagern. Obada erzählt auch von den vielen Vorteilen, die das Leben in einer gemeinsamen WG mit sich bringt: „Es ist eine Chance, die Sprache zu lernen, die deutsche Kultur besser kennenzulernen. Das hat mir selbst riesig geholfen, als ich mich für den Deutschkurs anmelden wollte oder für die Uni. Sie kennen sich einfach besser aus, weil sie von hier sind.“ Genauso ist es für die WG eine Bereicherung und bietet die Möglichkeit, neue Perspektiven kennenzulernen, eigene Denk- und Verhaltensmuster zu reflektieren sowie Empathie und Freundschaften zu entwickeln. 

Solidarität mit allen Menschen auf der Flucht

 

Leider ist das Thema Flucht für die Mehrheitsgesellschaft in Deutschland immer nur relevant, solange die Schlagzeilen davon berichten. Im September 2015 erreichte die Bereitschaft, ein Zimmer zur Verfügung zu stellen, seinen Höhepunkt, doch mit der Verlagerung der Schwerpunkte bei der Berichterstattung und auch dem erneuten Erstarken rechter Strukturen wurde das Interesse und die Unterstützung für die WG-Vermittlung stetig weniger. Zeitweise war die Nachfrage, vor allem in den großen Städten, doppelt so hoch wie angebotene Zimmer. Dies änderte sich schlagartig mit dem Ankommen geflüchteter Menschen aus der Ukraine. Das Vermittlungsteam von ZW wurde mit Angeboten für Zimmer, Wohnungen und sogar leerstehenden Häusern überflutet. Plötzlich wollten Menschen ihre unbewohnten Eigentumswohnungen in Berlin mietfrei zur Verfügung stellen, andere zeigten sich „solidarisch“, weil sie ihre Besenkammer freigeräumt hatten oder für zwei Wochen das Kinderzimmer anbieten wollten, stets mit der Anmerkung, Geflüchteten aus der Ukraine helfen zu wollen.

So funktioniert jedoch eine rassismuskritische und machtkritische Vermittlung nicht. Zu diesem Zeitpunkt hat das Statement auf der Instagramseite von ZW zu den Gefahren von Aktionismus hohe Wellen geschlagen.  Es sollte klar sein, dass Menschen dauerhaft eine Wohnraumperspektive angeboten werden muss. Daher vermittelt ZW nicht unter zwölf Monaten. Sie vermitteln nicht nach Herkunftsland, weil Solidarität keine Grenzen kennt. ZW wünscht sich von Menschen, die Wohnraum anbieten, eine transparente und ehrliche Kommunikation. Du solltest dich selbst fragen: Wieso möchte ich gerade jetzt mein Zimmer vermieten? Warum möchte ich das Zimmer anbieten? Entstehen dadurch Erwartungen an den Menschen, der zu mir zieht? Was könnte passieren, wenn meine Erwartungen nicht erfüllt werden? Die Vermittlungen zielen auf Qualität und nicht Quantität, daher dauern sie häufig auch etwas länger als geplant. Aber wenn es um gemeinsam gelebten Wohnraum geht, ist das politisch und kein Business.

Screenshot Instagram
Screenshot Instagram Post März 22 *(3)

Auch diese Welle ist nun langsam am Abebben, große Teile der eben beschriebenen Angebote konnten nicht vermittelt werden, da die Personen oft schnell wieder das Interesse verloren oder sich nicht ausreichend mit der Thematik, Machtstrukturen und eigenen Rassismen, Sexismen usw. auseinandergesetzt hatten.

Das Team von ZUSAMMENLEBEN WILLKOMMEN hat in dieser Zeit wieder dazu gelernt, schöne und unschöne Erfahrungen gesammelt und wünscht sich natürlich mehr Angebote, die auf eine ebenbürtige Wohngemeinschaft abzielen. Personen, die ein Zimmer frei haben, das man mindestens für zwölf Monaten nutzen kann, und für die das Herkunftsland eines Menschen keine Rolle spielt, können sich auf der Website anmelden. Auch freuen sich die Lokalgruppen über zusätzliche ehrenamtliche Unterstützung. Dabei kann man Erfahrungen sammeln, Einblicke in andere Lebensrealitäten gewinnen und neue Freunde finden! Am einfachsten ist es, ZW  über ihre Social-Media-Kanäle zu kontaktieren, sie freuen sich!      

  1. https://www.berliner-mieterverein.de/mietendeckel.htm
  2. Mehr Infos dazu von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2020): Rassistische Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt – Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage. Kostenlos downloadbar https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Umfragen/umfrage_rass_diskr_auf_dem_wohnungsmarkt.pdf 
  3. Bild 3: @Instagramm Post von ZW vom 05. März 2022 / https://www.instagram.com/p/CfBXxrysyvk/

 

Zusammenleben Willkommen findet Ihr auf folgenden Social Media Kanälen:

Instagram: https://www.instagram.com/zusammenlebenwillkommen
Facebook: https://www.facebook.com/zusammenlebenwillkommen
Twitter: https://twitter.com/wg_statt_lager
und unter der Webseite: https://zusammenleben-willkommen.de/

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