Azim Fakhri, Künstler

Wie erlebst du Demokratie, Azim Fakhri?

Wir fragen regelmäßig Menschen mit diversem Hintergrund, wie er:sie die Demokratie erleben.

Vorwort von Linda Lengler: 

Wir fragen regelmäßig Menschen mit diversem Hintergrund, wie er:sie die Demokratie erlebt. Dieses Mal erzählt Azim Fakhri, auch bekannt als “Kabul Knight”. Er ist Street-Art-Künstler und Menschenrechtler und lebt seit 2014 in Deutschland. 

Wir möchten darauf hinweisen, dass wir uns bewusst dazu entschieden haben, die Texte zu dieser Frage, nicht zu lektorieren. Wir möchten ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es keinesfalls selbstverständlich ist, deutsch zu sprechen, geschweige denn zu schreiben. Es geht uns nicht darum, die Autor:innen zu dieser Frage in ihrer Sprachkompetenz zu degradieren. Ganz im Gegenteil: Wir sind stolz und freuen uns, dass wir zeigen dürfen, wie die deutsche Sprache erlernt wird.

 

Wie erlebst du Demokratie, Azim Fakhri?

Mein Name ist Azim Fakhri und ich bin 32 Jahre alt. Ich lebe hier in Deutschland seit 2014. In Afghanistan habe ich als Informatiker für verschiedene NGOs und Firmen gearbeitet.  2012 habe ich angefangen, Kunst zu machen. Ich war von Banksy inspiriert und, da ich mit Computern gut zurechtkomme, habe ich ein paar Illustrationen und Grafiken erstellt. Nach meiner ersten Ausstellung habe ich viel positives Feedback bekommen. So habe ich weiter gemacht, bis ich mit Graffiti angefangen habe. 

Graffiti habe ich mir selber beigebracht. Damals war es etwas ganz Neues in Kabul. Graffiti war eine kostenlose Ausstellung für die Leute, die meine Kunst sahen. So habe ich mich motiviert und weiter gemacht. Es war nicht einfach, aber ich habe viele Graffiti in Kabul gemacht. Auch hier in Deutschland hatte ich die Möglichkeiten, ein paar Graffiti zu machen.

 

"Für mich war Demokratie immer ein Traum."

Ich war voller Träume und Ideen. Ich hatte Hoffnung, etwas verändern zu können in einem gebrochenen Land, in dem jedes Haus voller Liebe und Geschichten sind. Ich hatte Hoffnung, dass ich etwas zurückgeben kann an den Ort, an dem ich geboren bin, an den Ort, der mich braucht. Ich hatte Hoffnung, eines Tages zu erleben, wie wir alle in Freiheit und Liebe zusammenleben. Ich glaube an die Macht von Kunst, statt Waffen. Für mich war Demokratie immer ein Traum. Besonders als Kind. Ich bin in einem anderen Land aufgewachsen, an einem Ort, an dem wir komplett von neu anfangen mussten. Ich hatte so viele Wünsche und Träume als Kind. Ich träumte davon, irgendwo zu leben, wo Demokratie etwas wert ist und wo Menschen sie respektieren. 

Ehrlich gesagt hatte ich ein wirklich positives Bild davon, als ich das erste Mal von Demokratie gehört habe. Ich dachte, es bedeutet, dass du die Freiheit hast, zu sprechen. Die Freiheit, deine Ideen zu teilen, deine Liebe und Gefühle zu anderen und so viel mehr.

 

Als wir nach Afghanistan zurückgekommen sind, in eine kaputte Stadt, gab es nichts davon, weil der Bürgerkrieg uns damals alles genommen hatte. Wenn wir das Afghanistan von 2018 mit dem Afghanistan von 1960 vergleichen, sehen wir die Unterschiede. Alles, was wir jetzt nicht mehr haben, hatten wir einmal. Frauen waren frei, sie konnten singen. Du konntest lieben, wen du willst, ohne Angst. Wir konnten wählen, wir konnten durch unser Land reisen. Es gab damals viele Touristen und Touristinnen in Afghanistan. 

Wenn ich jetzt hier sitze und darüber nachdenke, war es immer mein Traum, in so einem Afghanistan zu leben, wo du die Demokratie mit deinem Herzen fühlen kannst. 

Wir waren auf dem Weg dahin – bis unser Land verkauft worden ist. Die Art und Weise wie wir die letzten 20 Jahre gelebt haben, hat so viele Menschen, so viele Soldaten davon abgehalten, gegen die Taliban zu kämpfen. Wir wollten nicht noch mehr Menschen verlieren. Alles, was wir wollten, ist Frieden.

 

Für mich als Mensch bedeutet Demokratie, dass wir akzeptieren, dass wir alle gleich sind. Wir sind alle Menschen und wir müssen uns gegenseitig helfen. Demokratie bedeutet, dass wir keine Grenzen zwischen uns ziehen sollten und dass wir füreinander da sind. Als Geflüchteter hier in Deutschland musste ich so Dinge beweisen. Ich musste beweisen, dass ich ein guter Mensch bin. Ich musste beweisen, dass ich harmlos bin. Ich bin ein Mensch, der seine Heimat verloren hat, zusammen mit all den Erinnerungen, die zu dieser Heimat gehören, mit all den Verantwortlichkeiten, die zu dieser Heimat gehören. Mit meiner Familie, die zu dieser Heimat gehört, und die zum Teil immer noch dort lebt. 

Ich werde immer versuchen, meiner Familie, den Menschen um mich herum und vor allem meinen Kindern vorzuleben, dass Demokratie Akzeptanz und Toleranz bedeutet. 

Es gibt eine Frage, die ich immer im Kopf habe: ob wir hier in Deutschland alle Demokratie haben. Und ich denke die Antwort ist NEIN. Es ist nicht so, wie es sein sollte. Menschen werden unterschiedlich behandelt, kategorisiert, aufgrund ihrer Religion, ihrer Haut, ihrer Sprache, ihrer Heimat und so vielem mehr. Ich glaube auch hier in Deutschland müssen wir hart arbeiten, um die Dinge zum Besseren zu verändern. Um eine bessere Zukunft für alle zu haben. Ich denke, das ist möglich. Mit Liebe können wir alles verändern. 

 

"Es gibt eine Frage, die ich immer im Kopf habe: ob wir hier in Deutschland alle Demokratie haben. Und ich denke die Antwort ist NEIN."

Warum können wir nicht ohne Krieg leben? Warum müssen wir für unsere Kinder und Enkelkinder diese Art von Geschichte schreiben? Warum muss jemand seine Heimat verlassen, alles zurücklassen um an einem anderen Ort von Null anzufangen – und du weißt noch nichtmal, ob die Gesellschaft und die Menschen dort dich von ganzem Herzen akzeptieren werden. 

Schau nach Palästina, nach Afghanistan, nach Syrien, in den Irak, nach Yemen, und jetzt in die Ukraine. Es ist herzzerbrechend. Haben wir nicht wenigstens ein besseres Leben und Demokratie verdient? Wir hatten das alles, bevor diejenigen, die Krieg führen, es von uns genommen haben. 

Ich werde mein Bestes geben, um meinen Kindern beizubringen, dass Demokratie nicht möglich ist ohne Liebe und Respekt.

 

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