„Was sollen wir schon ausrichten?“

Ein Vorschlag zur Rettung des deutschen Wohlstands

Nach aktuellen Schätzungen haben die Deutschen derzeit ein Geldvermögen von knapp acht Billionen Euro auf der hohen Kante. Meine These: Wenn wir nicht schnell anfangen, größere Summen davon für die Weltrettung einzusetzen, können wir unser Geld bald abschreiben.

Warum? Weil der viel zitierte „Wohlstand der Deutschen“ nur funktioniert, solange auch unsere Zivilisation weiter existiert. Das sicherzustellen, ist ohne jede Frage die vordringlichste Aufgabe unserer Zeit. Allerdings scheint eine Menge Menschen das noch immer nicht mitbekommen zu haben. Anders lässt sich nicht erklären, dass man – gerade auch in politischen Debatten – immer wieder Sätze wie diese hören kann:

„Was kann Deutschland denn schon tun, wir erzeugen ja nur gut 2 Prozent aller CO2-Emissionen!“

„Aha, die Gutmenschen wollen auf unsere Kosten mal wieder irgendwelche Insekten retten!“

„Natürlich, wieder mal soll an Deutschlands Wesen die Welt genesen.“

Die Fakten

Diese und ähnliche Äußerungen sind erstaunlich weit entfernt von den Fakten dazu, was wir Deutschen mit der Welt anrichten. Nehmen wir die CO2-Emissionen: Für die historischen Ausstoßmengen, die der Menschheit jetzt den Garaus zu machen drohen, hat Deutschland als führende Industrienation des 20. Jahrhunderts eine Menge mehr getan als die oft zitierten derzeitigen zwei Prozent. RWE ist einer der größten CO2-Emittenten Europas. Volkswagen allein ist für rund 2 Prozent des weltweiten Ausstoßes verantwortlich. Neben den Klimagasen könnte man auch über andere globale ökologische Auswirkungen der deutschen Autoindustrie sprechen. Oder über Deutschlands Einfluss auf die sich weltweit auswirkende Agrarpolitik der EU. Über unseren Niedriglohnsektor, der uns zum Exportweltmeister macht, während die darin Arbeitenden und der Rest Europas darunter leiden. Die Liste ließe sich fortsetzen. Hinzu kommt: Unsere Rolle bei Ökologie, Sozialem und globaler Gerechtigkeit wird gern kleingeredet, während es im selben Atemzug heißt, wir sollten dringend Panzer in die Ukraine schicken, um „unserer Verantwortung in der Welt“ gerecht zu werden. Da stellt sich die Frage: Haben wir also Verantwortung in der Welt? Oder haben wir keine? Drittens aber, und das ist mein eigentlicher Punkt: Wir Deutschen haben unsere Billionen überwiegend nutzlos auf der hohen Kante liegen – oder gar so angelegt, dass sie die Weltzerstörung weiter anheizen: in Öl, Kohle und Gas, und in zahllosen Branchen, die munter zerstören, was noch übrig ist. Wenn wir nicht bald anfangen, sie für einen U-Turn einzusetzen – bei Demokratieerneuerung, Gerechtigkeit, Wirtschaftsumbau, Klimagasen und Biodiversität –, werden sie erstaunlich schnell wertlos.

Ausbeutung als Normalzustand

Unsere Wirtschaftssysteme sind dafür entworfen, den Planeten und unsere Gesellschaften auf intensivst-mögliche Weise auszuräubern. In einer Art und Weise, die absolut nicht – und nun benutze ich das zu Unrecht abgegriffene Wort – nachhaltig ist. Nachhaltigkeit mag zum Modewort geworden sein, das in keiner Firmenpräsentation und keinem Werbespot fehlen darf. Aber die Ubiquität des Begriffes verwischt, dass er eine schlichte Bedeutung hat, die so gut wie nirgends erreicht wird: Wir dürfen nur so wirtschaften, dass wir das morgen, übermorgen und auch in einhundert Jahren noch immer genauso können. Von dieser Art Nachhaltigkeit sind gerade wir Deutschen jedoch so weit entfernt wie Christian Lindner von Anton Hofreiter – trotz aller grünen Broschüren und ökologischen Bekundungen. Stattdessen zerstören wir die Grundlagen unseres Lebens mit einem missionarischen Eifer, den wir uns gegenseitig stur als „dringend notwendiges Wirtschaftswachstum“ verkaufen. Wer genauer wissen möchte, was wir damit anrichten, kann Klimawissenschaftler:innen zuhören, Berichte der UNO über den für die Menschheit katastrophalen Verlust der Biodiversität lesen, auf Wikipedia „the Great Acceleration“ nachschlagen oder „Kipppunkte der Natur“ googeln. Dass der soziale Sprengstoff mit in die Gleichung eingebaut ist, sehen wir daran, dass die Reichen stetig reicher werden, die Armen zugleich ärmer, während der Mittelstand auch zu rutschen beginnt. Diese Entwicklung können wir den Medien in fast gleichlautenden Worten seit Jahrzehnten entnehmen. Aber es hat offenbar niemanden gekümmert und kümmert auch weiterhin kaum jemanden. Derweil hat der Club of Rome – der 1972 hellsichtig darauf hinwies, dass es mit dem Wachstum nicht ewig weitergehen kann – der Menschheit 2022 erklärt, wir stünden jetzt auf der Kippe. Diese nicht enden wollende massive Ausbeutung von Welt und Gesellschaft geschieht keineswegs zufällig, aus Versehen oder nebenbei. Im Gegenteil: Die beschriebenen Entwicklungen sind Ergebnis bewusster politischer Entscheidungen und Weichenstellungen der letzten Jahre und Jahrzehnte. Damit wäre natürlich zunächst mal angemessen, bei der Politik endlich ehrliche Anerkenntnis der Lage und beherzte Reaktion auf die Missstände einzufordern. Dass kein:e Journalist:in Olaf Scholz jemals mit diesen Fragen konfrontiert – von Angela Merkel gar nicht zu reden –, wird vermutlich als das zentrale historische Versäumnis des Journalismus in die Geschichte eingehen.

Eine neue Geldbewegung

Während wir also hoffen, die denkenden und verstehenden Personen im aktuellen Kabinett mögen öfter die Oberhand behalten, müssen wir mit dem Umbau beginnen. Das bringt mich zu den herumliegenden acht Billionen. Zum Vergleich: Das ist mehr als doppelt so viel wie das jährliche deutsche Bruttoinlandsprodukt. Wir brauchen eine GELDBEWEGUNG – eine konzertierte Aktion aller Menschen, die diese Billionen zusammengespart haben. Denn ein entscheidendes Problem besteht darin, dass viel zu viel von diesem Geld noch immer auf Sparbüchern liegt, wo es den Banken, die es verwalten, einen Freifahrtschein ausstellt. Oder dass es in Aktien und Fonds investiert ist, die mit Ansage die Weltzerstörung finanzieren – nicht jedoch den Wandel zu einer Gesellschaft, die auch in 30 oder 50 Jahren noch funktioniert. Obgleich nachhaltige Finanzanlagen gerade Buzzword und „Trendthema“ in der Finanzbranche sind, schichten wir noch immer viel zu wenig Geld um für den besseren Zweck. Das liegt unter anderem daran, dass hierzulande viel zu wenig über Geld gesprochen und viel zu wenig über Geld gewusst wird. Sich mit Geldanlagen zu beschäftigen, von Aktien ein wenig Ahnung zu haben und den Unterschied zwischen aktiv gemanagten Fonds und ETFs zu kennen, gehört unter sauber gescheitelten BWLern sicherlich zum guten Ton. Aber in viel zu vielen anderen Bereichen der Gesellschaft wird eher damit kokettiert, dass man sein Geld einfach auf dem Sparbuch hat, da liege es ja sicher. Ich fürchte, dass wir uns diese Ignoranz auf Dauer nicht leisten können. Vielmehr haben wir die Wahl: Entweder wir bemühen uns jetzt in einem Kraftakt darum, dass unser Geld eine nachhaltige Wirkung auf die Welt erzeugt, oder die Welt wird uns nachhaltig zeigen, dass unser Geld bald keinen Pfifferling mehr wert ist.

Aus diesem Grund und um meinen kleinen Beitrag zu leisten, habe ich vor einigen Wochen begonnen, bei YouTube auf dem Kanal „Geldbewegung“ Videos hochzuladen, die versuchen, das Thema effektives Spenden und nachhaltige Geldanlagen so zu verpacken, wie es die Dringlichkeit der Lage erfordert – und dass es zugleich Spaß macht. Endlos viel ist dazu gar nicht mal zu erklären, es gibt letztlich nur wenige Anlageformen, die gut funktionieren. Wenn man sich dann mit den richtigen Fragen ausstattet und damit dem:der Kundenberater:in bei der eigenen Bank auf die Pelle rückt, kommt man schon weiter mit Nachhaltigkeit bei Geldanlagen. Hinzu kommt die große Bedeutung von Spenden aller Größe und Ambition an echte Zukunftslobbys, die für den Erhalt unserer Welt kämpfen – und die ist ebenfalls schnell erklärt.

Als Nächstes könnte man dann vielleicht mal beim Abendessen mit guten Freunden das Thema anschneiden, damit eine echte Geldbewegung entsteht, die Kreise durch die gesamte Gesellschaft zieht und die damit uns – und unseren Wohlstand – noch zu retten hilft.

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Martin Oetting hat 17 Jahre lang in der Werbung gearbeitet und in der Zeit auch zu einem Marketingthema promoviert. Anfang 2016 verließ er die Marketingbranche – und war kurz danach geschockt von der Wahl Donald Trumps. Aus diesem Schock entstand Omnipolis Media, ein politisches Medienunternehmen. Sein erstes großes Projekt war Kaffee & Kapital, eine einjährige öffentliche Diskussion über den Zustand unserer Demokratien und die Zukunft von Kapitalismus und Demokratie. Das zweite Projekt ist „vollehalle“, eine politische Bühnenshow, die sich mit dem Zustand der Welt und der Frage befasst, was vor dem Hintergrund des Klimawandels zu tun ist. Drittens hat er einen abendfüllenden Dokumentarfilm über zwei bemerkenswerte Menschen geschrieben, gedreht, geschnitten und produziert, die dazu beitragen, unsere Weltwirtschaft von ihrem selbstzerstörerischen Wachstumskurs abzubringen. Er hofft, dass der Film dieses Jahr bei Sendern, Streamern und/oder in Kinos laufen wird. Ende 2022 hat er den YouTube-Kanal „Geldbewegung“ gestartet, der aus aktivistischer Sicht das Thema „nachhaltige Geldanlagen“ aufbereitet.

© Nick Scholey

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