Richter am rechten Rand
Über den Umgang mit einem rechtsextremen Richter
Darf eine Person, die rechtsextreme Verschwörungsnarrative verbreitet und sich offen rassistisch sowie völkisch äußert, in Deutschland Richter:in sein? Diese Frage gilt es gerade im Fall Jens Maier zu beantworten. Ein Überblick.
Ein rechtsextremer Richter?
Anfang 2022 beschäftigte sich die Öffentlichkeit intensiv mit der Frage, ob Richter:innen rechtsextrem sein dürfen. Hintergrund war der Fall Jens Maier. Der ehemalige Abgeordnete der AfD wollte nach seiner Zeit im Bundestag zurück in den Justizdienst. Vor seiner Abgeordnetentätigkeit war Maier nämlich Richter. Fälle, in denen Abgeordnete nach ihrer Amtszeit in den Staatsdienst zurückkehren, sind durchaus üblich. Das Abgeordnetenrecht regelt sogar einen Anspruch auf Rückkehr in den Staatsdienst, auf den sich nun auch Jens Maier beruft. Doch es handelt sich nicht um einen gewöhnlichen Fall, denn Maier ist offen rechtsextrem.
Urteilen am rechten Limit
Schon als Richter war Maier durch ein bemerkenswertes Urteil aufgefallen. In ihrem Wahlprogramm hatte die NPD unter Zugrundelegung eines völkischen Nationalbegriffs gefordert, „Migranten“ abzuschieben. Die Forderung läuft darauf hinaus, dass Personen mit deutschem Pass abgeschoben werden sollen, weil ihre Vorfahren nicht deutsch waren. Der Totalitarismusforscher Steffen Kailitz kam zu dem Ergebnis, dass die NPD damit rassistische Staatsverbrechen plant. Die NPD klagte, der zuständige Richter Jens Maier gab ihr recht und verbot Kailitz die Aussage im Eilverfahren. Maier sagte: „Mir ist nicht klar, wie man beim Wahlprogramm der NPD auf rassistische Staatsverbrechen kommen kann.“ Maiers Entscheidung lässt jegliches Gespür für Wissenschafts- und Meinungsfreiheit vermissen, das lässt tief blicken.
Jens Maier – ein Rechtsextremist
Maiers Hang zum Rechtsextremismus wurde im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2017 offenkundig. Er fungierte immer wieder als Scharfmacher am rechten Rand, bezeichnete sich selbst als „kleinen Höcke“ und war eine wichtige Person im „Flügel“ der AfD. Maier äußerte Sympathien für die NPD, die die einzige Partei sei, die immer geschlossen zu Deutschland stand. Außerdem sprach er abfällig über Mischehen und schwadronierte über die rechtsextreme Verschwörungstheorie vom Bevölkerungsaustausch. Für den norwegischen Rechtsterrorist Breivik, der 77 Menschen ermordet hatte, äußerte er Verständnis [5]. Bei Maier stellt sich im Ergebnis die Frage, ob eine Person, die offen rechtsextrem ist, Richter:in sein darf. Er selbst hat im Fall Kailitz bewiesen, dass seine Rechtsprechung von seiner politischen Einstellung beeinflusst ist. Der Schaden für das Vertrauen in den Rechtsstaat im Falle einer Wiedereinstellung wäre also immens.
Wie wird man eine:n Richter:in los?
Darf eine Person wie Jens Maier wieder Recht sprechen? Die Rechtslage ist in diesem Fall ein wenig verworren. Einerseits besteht nämlich der oben erwähnte Rückkehranspruch für Abgeordnete, auf den sich auch Maier berufen kann. Andererseits hat der Staat verschiedene Möglichkeiten, gegen Amtsträger:innen vorzugehen.
Gegen Maier können zunächst disziplinarrechtliche Schritte eingeleitet werden, weil er mit seinen Aussagen gegen die Verfassungstreuepflicht verstoßen haben könnte. Theoretisch kann am Ende eines solchen Verfahrens auch die Entfernung aus dem Amt stehen. Gegen Maier wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, wohin es führen wird, ist aber noch offen.
Für den Umgang mit Richter:innen gibt es aber noch zwei weitere Möglichkeiten. Zum einen können Richter:innen vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden, wenn durch ihre Weiterbeschäftigung eine schwere Beeinträchtigung der Rechtspflege zu erwarten ist. Mit diesem Instrument könnte man Maier mit dem Argument die Wiedereinstellung versagen, dass durch ihn ein massiver Vertrauensschaden für die Justiz entstehen würde. Außerdem gibt es noch die bislang nie erprobte Richter:innenanklage. Dieses Instrument erlaubt es, Richter:innen bei Verstößen gegen die verfassungsgemäße Ordnung von ihren Aufgaben zu entbinden. Die genauen Voraussetzungen sind allerdings unklar, weil es bislang keinen einzigen Anwendungsfall gab.
Welche Aussagen dürfen verwertet werden?
Ein weiterer rechtlicher Fallstrick in der Sache ist die sogenannte Indemnität, die dafür sorgt, dass Abgeordnete für Aussagen im Parlament nicht zur Verantwortung gezogen werden dürfen. In einem Verfahren gegen Richter:innen dürfen solche Aussagen also nicht verwertet werden. Im Fall von Birgit Malsack-Winkemann, die für die AfD im Bundestag saß und dort von „Krankheitserreger-importierenden Migranten“ gesprochen hatte, konnte diese Aussage für eine Ruhestandsversetzung wegen der Indemnität nicht verwendet werden. Die geplante Versetzung in den Ruhestand scheiterte, weil ihr außerhalb des Mandats keine entsprechend problematischen Äußerungen nachgewiesen werden konnten.
Zudem stellt sich generell die Frage, ob Aussagen während der Abgeordnetenzeit überhaupt verwertet werden dürfen. Das Abgeordnetengesetz sieht nämlich vor, dass die Rechte und Pflichten von Beamt:innen während ihrer Zeit im Parlament ruhen. Das gilt auch für die Verfassungstreuepflicht. Häufig wird jedoch die These vertreten, dass die Pflichten zwar ruhen, aber dennoch ein gewisses Grundmaß an Verfassungstreue vorauszusetzen ist. Entschieden ist diese Frage aber noch nicht.
Eine kurze Rückkehr
Aber welche rechtlichen Instrumente werden nun bei Jens Maier angewendet? Nachdem er seinen Antrag auf Rückkehr in den Justizdienst gestellt hatte, war das sächsische Justizministerium zunächst zu der Auffassung gelangt, dass man gegen Maiers Wiedereinstellung nichts tun könne. Ein Disziplinarverfahren konnte erst mit Aufnahme seiner Tätigkeit eingeleitet werden, die vorzeitige Versetzung in den Ruhestand sowie die Richter:innenanklage wurde scheinbar nicht erwogen oder schnell verworfen. So kam es, dass Maier dem Amtsgericht Dippoldiswalde zugeteilt wurde. In der Öffentlichkeit sorgte das für einen großen Aufschrei. Der führte letztlich zu einem Umdenken im sächsischen Justizministerium, das sich dazu entschied, Maier in den vorzeitigen Ruhestand zu versetzen. Hat das nun begonnene Verfahren Erfolg, müsste der Staat Maier allerdings weiter bezahlen. Über die Ruhestandsversetzung muss nun gerichtlich entschieden werden, die Entscheidung wird im Dezember erwartet.
Das Zögern des sächsischen Justizministeriums führte zu einer skurrilen Situation. Mit der Entscheidung, Maier in den Ruhestand zu versetzen, wurde ein Antrag gestellt, Maier bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung darüber die Amtsgeschäfte zu untersagen. Das zuständige Dienstgericht entsprach diesem Antrag wenige Tage nach Maiers Amtsantritt. So war Jens Maier doch in den Richterdienst zurückgekehrt, aber eben nur ganz kurz.
Der Fall Jens Maier und seine Folgen
Der Umgang mit Jens Maier zeigt, dass Behörden Rechtsextreme in Deutschland häufig mit Samthandschuhen anfassen. Dies geschieht nicht zuletzt aus Angst vor einer Niederlage vor Gericht, wenn man sich zu einem entschiedenen Vorgehen entschließt. Dabei spielt natürlich auch die unzureichende Rechtslage eine Rolle. Dennoch ist es bezeichnend, wie schwer sich das sächsische Justizministerium selbst bei einer so offen rechtsextremen Person wie Jens Maier tat, überhaupt tätig zu werden. Hier zeigen sich Defizite bei einem Ministerium, das mit den Grünen von einer Partei geführt wird, die sich sonst deutlich gegen Rechtsextremismus äußert. Insgesamt täten die Behörden gut daran, bei Fällen wie dem von Jens Maier klar Flagge zu bekennen und alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine Wiedereinstellung zu verhindern.
Illustrationen von Verena Siggelkow
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