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Frauen und Technik — weißte Bescheid!

Ein Interview mit Zühre Gümüs über Frauen in der Kamera- und Filmbranche.

Zühre Gümüs ist Videografin und Teil des Konstanzer Kreativduos Kameradinnen. Wir haben über ihre farbenfrohe und plakative Ästhetik, personelle und ästhetische Ungleichgewichte, sowie ihren persönlichen Antrieb zur Veränderung einer ganzen Branche gesprochen.

Meral Ziegler: Zühre, du hast in Konstanz Kommunikationsdesign studiert und gemeinsam mit deiner ehemaligen Kommilitonin Fiona Mentzel ein Kreativduo gegründet. Was hat es mit dem Namen eurer Produktionsfirma Kameradinnen auf sich?

Zühre Gümüs: Fiona und ich haben uns im Studium angefreundet. Freundschaft ist deshalb ein Wert, den wir in unseren Firmennamen integrieren wollten, zum einen, da es die Grundlage unserer Zusammenarbeit ist, zum anderen, weil wir auch ein freundschaftliches Verhältnis zu unseren Kund:innen pflegen. Zudem verweist die Doppeldeutigkeit auf unsere Position hinter der Kamera. Kameradinnen gibt also einen Vorgeschmack auf unsere Kreativität, die Grundlage für erfolgreiche Video- und Fotoproduktion und zeigt durch die Wahl der weiblichen Form des Begriffs, dass wir Frauen sind. Das zu betonen, war uns wichtig, da Frauen gerade im Segment der Videoproduktion in der Unterzahl sind.

Mit deinem Handwerk kannst du geschulte Sehgewohnheiten durch Bildsprache und -aufbau lenken. Empfindest du eine Verantwortung als Videografin gängige Darstellungsformen zu verändern?

Als Videografin beeinflusse ich den Zuschauer durch Inszenierung und Montage. Bei jedem neuen Auftrag stelle ich mir die Frage, ob ich durch die Wahl meiner Gestaltungselemente und des Konzepts veraltete Narrative festige oder ungewollt Codes bediene, die missverstanden werden können.

Mit welchen gängigen Narrativen möchtest du gerne brechen und warum?

Wir alle sind visuell geprägt. Bestimmte Phänomene, wie der Male Gaze haben sich auch auf uns Frauen übertragen. Unser Ziel ist deshalb Frauen in den Medien, nicht mehr als Schönheitsobjekte, sondern als Menschen mit ernstzunehmenden Fähigkeiten, darzustellen. Zum Beispiel haben wir kürzlich einen Film über eine international erfolgreiche Muay Thai Kämpferin gedreht.

Kameradinnen
Diese Bilder haben die Kameradinnen in ihrem Studio in Konstanz aufgenommen. Es zeigt ihren typischen Stil: starke Farben, feine Linien © Kameradinnen
Kameradinnen

Gibt es Ästhetiken, die du als überholt empfindest? 

Ein gängiges Problem, gerade in der Werbebranche, ist die häufige Verwendung von sterilem Stock Footage. Diesem kommerziell erwerbbaren Film- und Bildmaterial mangelt es an Authentizität und Individualität. Unsere Stärke ist dagegen die authentische, bewusste Inszenierung, die wir im künstlerischen Prozess entwickeln und entwerfen. Kameradinnen wollen Kunden und Marken Persönlichkeit geben und für jede:n einen individuellen Stil finden.

Was ist dein Zukunftswunsch für die Branche der Videografie?

Für die Branche wünsche ich mir als Videografin von männlichen Kollegen respektiert zu werden. Oftmals wurde ich voreilig als ahnungslose Person abgestempelt, nach dem Motto „Frauen und Technik — weißte Bescheid“. Meine Resultate beweisen allerdings das Gegenteil — ich bin gut in dem was ich mache. Als Kamerafrau muss man sich doppelt beweisen, um in dieser Männerdomäne anerkannt zu werden.

Strebst du konkrete Karriereziele an?

Momentan fokussieren wir uns auf das Segment Werbung, würden aber gerne weitere Musikvideos, oder auch Kurzfilme produzieren, am liebsten im Austausch mit Kreativen aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen. 

Erfolg ist mir sehr wichtig, was auch auf meinen familiären und kulturellen Kontext zurück zu führen ist. Ich als Kurdin, gebürtig in der Türkei, habe schon früh verstanden, dass mein Beruf nur akzeptiert wird, wenn ich erfolgreich bin, denn nach wie vor sind viele Frauen in den kurdischen Kontexten aus denen ich komme, unterdrückt. Akzeptanz zu erfahren, ist ein persönlicher Antrieb zur Erreichung meiner Zukunftswünsche.

Danke für das Gespräch!

Fotos von den Kameradinnen
Instagram Kameradinnen
Website Kameradinnen

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Meral ist Autorin, Spoken Word Künstlerin und studierte Kunstgeschichtlerin.

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