Wie erlebst du Demokratie, Samer Ismail?

Wir fragen regelmäßig Menschen mit diversem Hintergrund, wie er:sie die Demokratie erleben.

Vorwort von Linda Lengler: 

Wir fragen regelmäßig Menschen mit diversem Hintergrund, wie er:sie die Demokratie erleben. Hier erzählt Samer Ismail, der 2016 aus Syrien nach Berlin kam und bis heute lebt.

Wir möchten darauf hinweisen, dass wir uns bewusst dazu entschieden haben, die Texte zu dieser Frage, nicht zu lektorieren. Wir möchten ein Bewusstsein dafür schaffen, dass es keinesfalls selbstverständlich ist, deutsch zu sprechen, geschweige denn zu schreiben. Es geht uns nicht darum, die Autor:innen zu dieser Frage in ihrer Sprachkompetenz zu degradieren. Ganz im Gegenteil: Wir sind stolz und freuen uns, dass wir zeigen dürfen, wie die deutsche Sprache erlernt wird.

Wie erlebst du Demokratie, Samer Ismail?

Mein Name Samer Ismail, ich lebe in Berlin seit sechs Jahren und ich war auf eine Abendgymnasium. Ich hatte viele Schwierigkeiten erlebt, besonders in meinem Alter sowohl mit der Sprache als auch mit der Schulsystem. Aber ich habe nie aufgegeben und immer weitergekämpft, da endlich ich meinen Abschluss bekommen habe.

Demokratie als Regierungsform ist die Beteiligung des Volkes an der Selbstverwaltung, normalerweise durch Mehrheitsherrschaft durch ein Abstimmungs- und Vertretungssystem.  Wenn ich dieses Konzept auf mich vergleiche, als Nicht Deutscher, der schon lange in Deutschland lebt, kann ich nicht sagen, dass das sehr auf mich zutrifft, weil mich mein Leben hier zur Zeit daran hindert, mitzumachen in meinen politischen Ideen und politischen Ereignissen. In der deutschen Gesellschaft kann ich wenig verändern weil viele Menschen wie ich nicht wählen können, obwohl wir schon lange hier leben. Bisher gibt es Schwierigkeiten, die deutsche Staatsbürgerschaft zu erhalten, und es ganz auf den Arbeitnehmer im Amt ankommt wem ich meine Papiere vorlege. Er entscheidet, ob ich sie bekommt oder nicht. Es gibt viele Menschen, die diese Situation ausnutzen und viele Anfragen ablehnen. Aber ich vergesse hier nicht zu erwähnen, dass die deutsche Gesellschaft ihren Menschen in vielen Bereichen, insbesondere in der Meinungsäußerung, viel Demokratie gibt und diese Menschen besonderen Schutz durch Polizei und deutsche Sicherheit erhalten. Das drückt Stärke dieser Land aus. Seine Harmonie mit den Menschen und seinen Respekt vor der Weltmeinung, ohne Formen von Gewalt ausgesetzt zu sein. Wenn das Äußern einer Meinung gefährlicher ist, als das Leben der Bürger, wie in viele andere Länder, die ihren Bürgern nicht erlauben, ihre Meinung zu äußern.

"Dort gilt Demokratie als Verbrechen und wer sie ausspricht, wird getötet oder kommt ins Gefängnis schwerste Folter zu erleiden."

Ich möchte auch hinzufügen, dass die Bundesregierung die Menschen in vielen Bereichen respektiert, daher ist die Gemeinschaft dadurch sehr stark und harmonisch. Niemand steht über dem Gesetz und alle sind gleichermaßen verantwortlich. Wenn eine bestimmte Gruppe von Menschen durch Demonstrationen etwas zu verändern scheint, dokumentiert die deutsche Presse alle Neuigkeiten auf diesem Gebiet. Dazu ist es notwendig, die Mentalität dieser besonderen Gruppe aller Deutschen zu kennen. Die Regierung garantiert die Pressefreiheit, alles was nützlich ist, um Informationen zu dokumentieren, wenn Ereignisse und Nachrichten dokumentiert werden. Beispielsweise hat die Regierung bei Demonstrationen zum Schutz der Umwelt, wie wir sie vor nicht allzu langer Zeit in Deutschland erlebt haben, versucht, den Forderungen der Demonstranten auf verschiedene Weise nachzukommen. Und ich spreche hier als ein Mensch, der viele Jahre in einem Land gelebt hat, das von Korruption und Diktatur durchzogen ist, wo es keinen Sinn für Freiheit und Demokratie gibt. Dort gilt Demokratie als Verbrechen und wer sie ausspricht, wird getötet oder kommt ins Gefängnis schwerste Folter zu erleiden. So war die Regierung meines Landes, die keine Gnade kennt und an Menschenrechte nicht denkt. Aus diesem Grund sage ich hier, dass es in Deutschland einen großen und sehr großen Unterschied in Bezug auf die Demokratie gibt. Demokratie und Freiheit brauchen einander. Ich möchte bald ein Teil der deutschen Gesellschaft werden und die deutsche Staatsbürgerschaft erlangen, um am politischen Geschehen teilzunehmen, meine Meinung vielfältig zu äußern und auch mein Wahlrecht zu erhalten.

"Ich fühle mit diesen Menschen, die den Asylweg begonnen haben, ich schätze und respektiere ihr Leiden."

Zu Beginn der russischen Invasion in der Ukraine fing ich an, die Nachrichten mehr zu verfolgen. Wenn ich die Auswirkungen der Bombardierung und Zerstörung sehe, fühle ich Angst und Traurigkeit. Angst vor allem, das Geräusch des Fliegens ist für mich ein unbeschreiblicher Horror, wir wissen nicht, wo das Flugzeug bombardiert und Raketen und Sprengbomben geworfen werden. Wer und wie viele Menschen werden getötet? Diese Details: ich war und fühle mich immer noch unter dem Bombardement, daher hat der Anblick des Krieges in der Ukraine eine andere Wirkung für mich und für diejenigen, die den Krieg in Syrien miterlebt haben. Die Szenen zerstörter Häuser, verstreuter Kinderspielzeuge, Familienbesitz, ihre Fotos, ihre Erinnerungen, ihre Schuhe. Als ich diese Dinge sah, fragte ich mich, was mit dem Besitzer dieses Schuhs passiert ist: Ist er gestorben? Eine der sensibelsten Stationen in meinem Leben und die schicksalhafte Veränderung, die ich vorgenommen habe, war die Fluchtphase. Ich fühle mit diesen Menschen, die den Asylweg begonnen haben, ich schätze und respektiere ihr Leiden. Ich kenne den Konflikt, der in jedem von ihnen passiert sehr gut. Denken sie darüber nach, was passiert ist, wer verloren hat, wer nicht raus konnte, was passieren wird und das Leben im neuen Land und die Schwierigkeiten, die damit einhergehen. Was mich noch mehr schmerzt, sind die Äußerungen, die in den Medien eingegangen sind. Wenn die Medien und „Erste-Welt“-Länder das Leid der Ukraine als Vorwand für rassistische, diskriminierende und fremdenfeindliche Äußerungen benutzen, sie wirken sich nicht nur auf die Sache aus, die sie verteidigen, aber sie säen auch Hass, Spaltung, Rassismus und Klassendiskriminierung zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarbe und Minderheiten auf der ganzen Welt.

"Mein Herz und meine Sympathie werden bei der Ukraine sein."

Wie können wir Antidiskriminierungsgesetze durchsetzen, wenn die Medien und Länder der Ersten Welt offen rassistisch und diskriminierend gegenüber bestimmten „nicht-christlichen“ „nicht-weißen“ Gruppen sind? Mein Herz und meine Sympathie werden bei der Ukraine sein und ich hoffe, dass sie ihre Heimat niemals verlieren, wie mit mir und meinem Volk passiert ist.

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